Ein Konzert. Zwei Artists. Doch niemand weiß wer… oder wo. „Rausgegangen“ bietet eine etwas andere Erfahrung
Ein Aperol in der Hand. Noch ein paar Minuten bis es losgeht. Die Wände, die mit professionellem Graffiti besprüht sind, erzählen ihre eigene Geschichte. Alle warten, Augen auf die Bühne geheftet, auf das, was gleich kommt – doch niemand weiß, wer kommen wird.
Wir sind auf dem ersten Geheimkonzert in Heidelberg, welches von „Rausgegangen Rhein-Neckar“ organisiert wird. Die Eventplattform, die eigentlich selbst andere Events empfiehlt, hebt das Erlebnis des Konzertbesuchs auf eine neue Ebene, denn sowohl die Artists als auch der Ort sind, wie der Name schon sagt: geheim.
Statt Tage vorher die Songs des Artists rauf und runter zu hören, um textsicherer zu werden, tappen wir noch im Dunklen. Über einen Link öffnen wir eine Karte und sehen einen blauen Kreis, der immer weiter schrumpft und so nach und nach die Location verrät. Um 18 Uhr ist dann sicher, was wir schon erahnt haben: Für uns geht es ins Patrick-Henry-Village. Mit uns machen sich an diesem Mittwochabend noch ungefähr 350 weitere Menschen auf den weiten Weg.
Auf der Website von „Rausgegangen“ wird mit Künstler:innen wie Provinz, Blond und Paul Wetz gelockt. Für ein Konzert im beschaulichen Heidelberg müssen die Erwartungen allerdings etwas runtergeschraubt werden. Das hier ist schließlich nicht Berlin. Nach einem ersten Erkunden der außergewöhnlichen Venue lüften die Moderatorinnen um 20 Uhr das Geheimnis der auftretenden Acts.
Mit einem tosenden Applaus wird zuerst die Künstlerin Fiora aus Göttingen auf der Bühne begrüßt. Mit ihrem Song „Warum studiert man Medizin?“ trifft sie genau den Nerv des studentischen Lebensgefühls. Die meisten ihrer Songs sind Balladen, die eine Suche nach Halt in einer Welt, die einem immer wieder entgleitet, beschreiben. Sie singt nicht nur über die verlorene Liebe, sondern auch über das Gefühl, selbst verloren zu sein. Da niemand mitsingen kann, ist es mucksmäuschenstill, während sie singt – der Applaus danach ist umso lauter.
Auf den eher sanften ersten Auftritt folgt Künstler AF aus Köln. Seine Texte erinnern stellenweise eher an Sprechgesang, begleitet von E-Gitarre und Schlagzeug. Der rauere Ton soll Abwechslung bringen, sodass sich alle Besucher:innen bei mindestens einem Auftritte wiederfinden, erklären uns die Organisator:innen von „Rausgegangen“.
Egal wer auf der Bühne stehen wird, jede:r wird bejubelt, denn die Zuschauenden sind per Konzept nicht wegen bestimmter Künstler:innen da, sondern wegen der Atmosphäre – dazu gehört auch die Wertschätzung der Artists. Es ist eine absolute Win-Win Situation, da Newcomern ein sehr wohlwollendes, großes Publikum geboten wird, ohne dass sie im Schatten eines Headliners stehen. Als der Sänger AF von Zugaberufen überrascht wird, wird deutlich, wie intim und aufrichtig die Atmosphäre ist. Statt eine Zugabe nach festem Schema zu liefern, wie es heute oft üblich ist, spielt er schlicht seinen letzten Song nochmal, der im Publikum besonders gut angekommen war.
Diese Wundertüte an Artists birgt aber auch das Risiko, enttäuscht zu werden. Wer durch die Spotify-Playlist des Events stöbert, merkt schnell: Man sollte offen für deutschen Indie-Pop sein.
„Rausgegangen“ ist eben die Anlaufstelle, um lokale Kultur zu erleben – und davon ist deutscher Indie-Pop natürlich fester Bestandteil. Über die Website findet man Konzerte, Theatervorstellungen, Partys, Vorträge und vieles mehr. Wem aber auch das noch zu viel Mühe ist, kann sich auch einfach auf Instagram von Hannah, der Vertreterin von „Rausgegangen Rhein-Neckar“, in Form von Reels erzählen lassen, was die heißesten Tipps der Woche sind.
Auch das nächste Geheimkonzert in der Region ist schon angekündigt: Am 01.12 wird’s wieder geheim – diesmal in Mannheim. Die Pop-Akademie in der Quadratestadt hat schon einige erfolgreiche Indie-Künstler:innen hervorgebracht, die Chancen stehen also nicht schlecht, auf dem nächsten Konzert einen Star von morgen zu entdecken und Fan der ersten Stunde zu werden. Doch wer am Ende tatsächlich auf der Bühne steht, ist ungewiss.
Von Annika Bacdorf, Heinrike Gilles und Bastian Mucha
...studiert molekulare Biotechnologie und ist seit dem Sommersemester 2023 beim ruprecht. Meistens schreibt sie wissenschaftliche Artikel oder über das studentische Leben. Seit November 2023 kümmert sie sich außerdem um die Website und den Instagram-Kanal des ruprecht.
...studiert Politikwissenschaft und Anglistik. Seit dem Winter 2023 ist sie beim ruprecht, wo sie mal dies und mal das macht.
...studiert irgendwas mit Naturwissenschaften (Molekulare Biotechnologie) und schreibt seit Sommersemester 2023 für den ruprecht. Neben der Leitung der Bildredaktion ist er vor allem für Illustrationen, Wissenschaft und Satire immer zu haben.