Die diesjährigen Nobelpreise wurden im Oktober vergeben. Wer die glücklichen Gewinner:innen sind und womit sie sich die Ehrung verdient haben
Literatur
Der Nobelpreis ehrt das Gesamtwerk von Autor:innen. Dieses Jahr wurde die Südkoreanerin Han Kang, unter anderem Autorin des Romans „Die Vegetarierin“, gewürdigt. Die mittlerweile 53-Jährige, die nicht die einzige Autorin der Familie Han ist, studierte Literatur in Korea und Iowa, unterrichtete selbst Kreatives Schreiben und veröffentlichte neben diversen Romanen auch zahlreiche Gedichte und Kurzgeschichten.
Oft werden Hans Texte in Zusammenhang mit der demokratischen Studierendenbewegung in ihrer Geburtsstadt Gwangju gebracht. Die Bewegung wurde damals gewaltsam beendet. Auch wenn Han zu dem Zeitpunkt nicht mehr in der Stadt lebte, erschütterten die Nachrichten die damals Neunjährige zutiefst und finden bis heute Verarbeitung in ihren Texten. Viele von Hans Texten handeln von menschlichen Beziehungen, von Kritik an sozialen Problemen und setzen sich mit komplexen politischen Fragen auseinander. Sehr intensiv beschreibt Han verstörende Szenen und lässt ihre Leser:innen die Erlebnisse der Hauptfiguren mitfühlen. Dabei verliert jedoch keines ihrer Werke den poetischen Stil, der, in Zusammenhang mit ihrem Inhalt, letztendlich Grund für die Auszeichnung war. Das Nobelkomitee fasste ihre Leistung mit den Worten „Intensive, poetische Prosa, die historische Traumata konfrontiert und Fragilität des menschlichen Lebens bloßstellt“ zusammen.
Von Lara Husemann
Physik
Der diesjährige Nobelpreis ging an John Hopfield und Geoffrey Hinton für ihren Beitrag zur Entwicklung künstlicher neuronaler Netze. Das macht insbesondere deutlich, wieviel Physik hinter der modernen Informatik steht.
Neuronale Netze beschreiben Algorithmen, die das menschliche Gehirn imitieren. Dazu muss ein Netz aus künstlichen Neuronen gebildet werden. Dafür entwarf John Hopfield die sogenannte Potentiallandschaft, in der sich Daten wie Kugeln in einer Hügellandschaft verhalten: Die Kugel sucht stets den Weg nach unten, wobei ver-*schiedene Senken unterschiedliche*abgespeicherte Informationen repräsentieren. Passen nun eingegebene Trainingsdaten zu bereits gespeicherten, wird der betreffende Knoten im Netzwerk abgesenkt. Durch dieses Training wird eine Landschaft gebildet, die jeder neuen Dateneingabe den richtigen Weg nach unten zu den jeweils gespeicherten Daten weist.
Hinton entwickelte diese Strukturen weiter. Sein Ziel war es, nicht nur Daten bereits bekannten zuzuordnen, sondern zusätzlich Strukturen zu schaffen, um Muster in diesen erkennen zu können. Er entwickelte ein mehrschichtiges Netzwerksystem aus sogenannten sichtbaren sowie unsichtbaren Knoten nach den Prinzipien der Informatik und Statistischen Physik. Diese besagt unter anderem, dass, abhängig von der Energie eines Systems, bestimmte Zustände eher auftreten als andere. Die Energie repräsentiert dabei die Abweichung zum gesuchten Datenmuster. Das System muss also durch Anpassung der Verbindungen im Netzwerk darauf trainiert werden, dass die Zustände niedrigster Energie diesen gesuchten Datenmustern entsprechen.
Damit schuf Hinton ein „generatives Modell“, das Muster erkennen und auch erzeugen kann. Beide Preisträger leisteten einen wertvollen Beitrag zur Grundlagenforschung der KI.
Von Katharina Frank
Chemie
Der Nobelpreis ging in diesem Jahr an Demis Hassabis und John Jumper für die Vorhersage von Proteinstrukturen mit Hilfe der künstlichen Intelligenz „AlphaFold“. Gleichzeitig erhielt auch David Baker für seine Arbeit an computergestütztem Proteindesign die Ehrung.
Proteine steuern viele chemische Vorgänge in Lebewesen. Sie sind lange verknäulte Ketten aus Aminosäuren. Die Reihenfolge und Zusammensetzung der Aminosäuren entscheiden über die Form und damit über die spätere Funktion des Proteins. Forschende versuchen seit Jahrzehnten herauszufinden, wie von der Aminosäuresequenz ausgehend die dreidimensionale Struktur der Proteine vorhergesagt werden kann. Auch umgekehrt, von der Form des Proteins auf seine Aminosäuresequenz schließen zu können, gilt als eine der größten Herausforderungen in der Biologie.
Das Computerprogramm „Alpha Fold“ basiert auf den Grundlagen des diesjährigen Physik-Nobelpreises für maschinelles Lernen. Die KI wurde mit mehr als 170 Tausend Proteinstrukturen aus öffentlichen Datenbanken trainiert, die das Programm nutzt, um eine Struktur für eine gegebene Sequenz vorzuschlagen. Für eine gewünschte Proteinfunktion kann die KI ebenfalls Sequenzvorschläge bringen. So wurden bereits mehr als 200 Millionen Strukturvorhersagen getroffen.
David Baker entwickelte das „Rosetta“ Programm, das ein computergestütztes Design gänzlich neuer Proteine erlaubt. Es wurden Proteine entwickelt, die Reaktionen katalysieren können, für die es keine natürlich vorkommenden Proteine gibt.
Alle Programme sind für die breite Wissenschaftswelt zugänglich und werden seit ihrer Einführung kontinuierlich weiterentwickelt. Die teuren und zeitaufwändigen Labormethoden können durch die KI-Rechnungen ergänzt oder sogar ersetzt werden, was eine bahn-*brechende Beschleunigung bei der Entwicklung neuer Pharmazeutika und vieler anderer Forschungsfelder bedeuten kann.
Von Josefine Wagner
Medizin
Alle Erbinformationen, die Gene, sind in der menschlichen DNA gespeichert, die im Zellkern eingeschlossen ist. Unser Körper liest diese ständig aus und produziert die dort codierten Proteine, die dann alle notwendigen Prozesse in den Zellen in unserem Körper steuern. Als Übermittler zwischen den Informationen im Zellkern und dem Ort der Zelle, der die Proteine synthetisiert, fungieren sogenannte Messenger RNA (mRNA).
Doch was passiert, wenn die mRNA schon geschrieben ist, das Protein aber doch nicht mehr hergestellt werden soll? Zu diesem Zeitpunkt kann die Zelle microRNA (miRNA) bilden, die sich an die unerwünschte mRNA anheftet und sie damit neutralisiert. Diesen zusätzlichen Weg des Körpers zur Regulierung, welches Gen in ein Protein umgesetzt werden soll und welches nicht, haben der Biologe Victor Ambros und der Biophysiker und Genetiker Gary Ruvkun zusammen bereits 1993 entdeckt.
In vielen Typen menschlicher Tumorzellen beobachtet man eine ungewöhnliche Aktivität dieser microRNAs, wodurch sie als Ziel zukünftiger Krebstherapien hochinteressant sind.
Von Felix Albrecht
...studiert Physik im Bachelor und schreibt seit Ende 2023 für den ruprecht. Sie interessiert sich besonders für Wissenschaftskommunikation und Berichte aus Musik, Film und Fernsehen.
...studiert Chemie und schreibt seit 2022 für den ruprecht. Sie leitet das Ressort Wissenschaft.
...studiert Biowissenschaften und schreibt … nichts. Er layoutet und illustriert seit 2023 für den ruprecht.