Kirgisistan bietet mehr als Pferde und Berge. Erfahrungsbericht über ein Praktikum in Zentralasien
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Kirgisistan ist ein Binnenstaat in Zentralasien mit circa 7 Millionen Einwohner:innen. Es grenzt im Süden an Tadschikistan, im Westen an Usbekistan, im Norden an Kasachstan und im Osten an China. 90 Prozent des Landes liegen auf einer Höhe von mindestens 1500m, was die kirgisische Lebensweise stark beeinflusst. (rtr)
Warum ausgerechnet Kirgisistan? Als ich mich für ein Praktikum in dem zentralasiatischen Land entschied, erntete ich oft verwirrte Blicke. Alles begann 2023, als ich in der Mercedes A-Klasse meiner Oma von Deutschland bis an die chinesische Grenze reiste. Die Natur Kirgisistans und die offenherzige Kultur faszinierten mich so sehr, dass ich unbedingt zurückkehren wollte, diesmal im Rahmen meines Studiums.
Ende April 2024 stand ich dann tatsächlich in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek. Die schneebedeckten Gipfel des Kirgisischen Alataus geben der Stadt eine imposante Kulisse und bilden einen harten Kontrast zum geschäftigen Treiben der Millionenstadt.
Auf meiner Suche nach einer Stelle für mein Pflichtpraktikum fand ich das „Central Asian Institute of Applied Geosciences“ (CAIAG). Das CAIAG ist eine Forschungseinrichtung, die sich auf angewandte Geowissenschaften in Zentralasien spezialisiert hat. Die Hauptforschungsfelder reichen von Klimawandel und Wasserressourcen über Gletscherforschung bis hin zu geodynamischen Prozessen und Katastrophenvorsorge. Am Institut wurde ich herzlich aufgenommen – und das trotz herrschender Sprachbarriere.
In Kirgisistan ist sowohl Kirgisisch als auch Russisch offizielle Amtssprache. Während in den ländlichen Regionen des Landes fast ausschließlich Kirgisisch gesprochen wird, dominiert in den größeren Städten und insbesondere in Bischkek Russisch.
Da nur etwa ein Zwanzigstel der Bevölkerung Englisch spricht, war für mich schnell klar, dass ich Russisch lernen möchte. Je länger ich in Bischkek lebte und je flüssiger mein Russisch wurde, desto besser verstand ich die kirgisische Kultur und Gesellschaft. Sie ist auch heute noch geprägt von nomadischen Traditionen: Jurten und Pferde spielen eine große Rolle. Zentral für die kirgisische Küche ist Fleisch, vor allem Hammelfleisch.
Highlight meines Praktikums war jedoch nicht das Essen, sondern die Exkursionen und Feldarbeiten in den Sommermonaten gemeinsam mit kirgisischen und internationalen Wissenschaftler:innen auf verschiedenen Gletschern. Tagsüber installierten wir Messstationen auf dem Eis, lasen Daten aus und nahmen Bohrungen vor. Zurück im Basislager, am Fuß des Gletschers, wurde in geselliger Runde gekocht und die Abende ohne Internet mit Geschichtenerzählen und Kartenspielen verbracht.
Aufgrund meiner Praktikumserfahrung werde ich nach meiner Rückkehr in die Heimat meine Bachelorarbeit über die Gletscher und Gletscherseen des Ala-Archa Nationalparks südlich von Bischkek schreiben. Die benötigten Daten konnte ich teilweise vor Ort selber erheben und über das CAIAG habe ich Zugriff auf historische Befunde, teilweise noch aus Sowjetzeiten.
Rückblickend war das fünfmonatige Praktikum wesentlich mehr als ein Baustein meiner akademischen Laufbahn. Es war eine Gelegenheit, über mich selbst hinauszuwachsen und mich in einer völlig fremden Umgebung zurechtzufinden. Die Erlebnisse in Kirgisistan und das Eintauchen in eine völlig andere Kultur haben nicht nur mein Verständnis von Geographie vertieft, sondern auch meinen Blick auf die Welt erweitert.
Derlei Erfahrungen konnte ich nur sammeln, weil ich die eigene Komfortzone verlassen habe. Deshalb mein Rat an alle Studis, die mit einem Praktikum im Ausland liebäugeln: Traut euch. Der Blick über den Tellerrand lohnt sich, nicht nur für eure Karriere.
Von Felix Haas
Felix Haas
...leitet Weltweit und studiert nebenbei Geographie in Kombination mit Politikwissenschaft.
Interessenschwerpunkte: ferne Länder, Tagespolitik, Botanik & Sport.