Wissenschaft als Heilmittel gegen die Klimakrise. Wie die verrückten Ideen eines Chemie-Nobelpreisträgers die Welt verändern sollen. Was es damit auf sich hat und wie man die Bremsung des Klimawandels erreichen will erklärte Benjamin List in seinem Vortrag bei Geist.
Magische Wissenschaft – So schwärmte der Nobelpreisträger Benjamin List von der Welt der Katalyse. Ob Wissenschaftsbegeisterte oder Fachpublikum, jung oder alt, allein oder in der Gruppe – der Chemiker Benjamin List zog bei seinem Vortrag am 7.11.2024 des „International Science Festival“ ein durchaus bunt durchmischtes Publikum an. Der Deutsche gewann 2021 zusammen mit David MacMillan den Nobelpreis für Chemie. Er gilt als einer der Begründer der sogenannten metallfreien Katalyse mit Kohlenwasserstoffen, der asymmetrischen Organokatalyse. Hierbei handelt es sich um chemische Reaktionen, die durch besondere Substanzen – sogenannte Katalysatoren in ihrer Geschwindigkeit erhöht werden. Manche Reaktionen laufen zwar prinzipiell ab, aber nur sehr langsam. Denn zur Umwandlung von Stoffen muss eine Energiebarriere, die Aktivierungsenergie, überwunden werden. Katalysatoren senken diese Barriere in einer Reaktion derart, dass sie problemlos überwunden werden kann. Diese Beschleunigung von Reaktionen findet man eigentlich in jedem Organismus, ohne sie wäre Leben nicht möglich.
Auch in der Industrie werden Katalysatoren in großen Maßen zu verschiedenen Zwecken verwendet. Einige Beispiele trug Benjamin List vor, etwa das berühmte Haber-Bosch-Verfahren. Hierbei handelt es sich um die katalysierte Herstellung von Ammoniak, welches in der Landwirtschaft für Düngemittel gebraucht wird und ohne das viele Menschen während den Weltkriegen verhungert wären. Typisch sind bei solch groß angelegten Verfahren Metalle die Beschleunigungs-Werkzeuge. List wurde aber für die Katalyse mit rein organischen Molekülen ausgezeichnet. List selbst kam das erste Mal als Assistenzprofessor am Scripps Research Institute in Südkalifornien mit biologischer Katalyse in Kontakt. Dort beschäftigte er sich mit Proteinen, die in Lebewesen Reaktionen katalysieren. Als er später sein eigenes Labor aufbauen durfte, entschied er an einem Thema zu forschen, an dem zu der Zeit niemand anderes Recherche betrieb. Er testete, ob man Aldol Reaktionen statt mit Enzymen oder Metallkatalysatoren auch ganz einfach mit der Aminosäure Prolin beschleunigen könnte. Diese lässt sich deutlich günstiger herstellen als etwa seltene Metalle oder komplizierte Enzyme.
Tatsächlich gelang ihm dadurch der Durchbruch und er revolutionierte die Synthesechemie für die Herstellung von komplexen Molekülen in der Medizin und Pharmaindustrie. Asymmetrisch wird das Verfahren genannt, weil im Gegensatz zu vorherigen organischen Katalysen nur ein Stoff, und kein Gemisch, herauskommt. Das erleichtert die Aufreinigung danach deutlich, und die Reaktion erzeugt weniger Abfall. Das Verfahren wird beispielsweise bei der Herstellung von HIV-Medikamenten benutzt. Obwohl List die Grundlagenforschung gefällt, will er sich nun konkreten Problemen und wohl auch der größten Bedrohung der Menschheit zuwenden – dem Klimawandel.
Der Nobelpreisträger präsentiert sich seinem Publikum als Liebhaber von verrückten Ideen. So versucht er aktuell einen klimaneutralen, nein sogar klimapositiven Treibstoff herzustellen. Hierbei will er sich, wie es sich für ihn bereits mehrfach gelohnt hat, von der Natur inspirieren lassen: Dieses Mal an der Fotosynthese. Bei diesem Prozess, der normalerweise in Pflanzen stattfindet, wird CO2 mit anderen Reagenzien, wie Wasser, in Sauerstoff umgewandelt. Die Grundidee wird bereits bei einem Startup in der Schweiz umgesetzt. Bisher fehlt es aber noch an Effizienz. Das will List ändern. Er will CO2 direkt in Kohlenstoff und Sauerstoff umzuwandeln und Wasser aus der Gleichung ganz streichen. Die Reaktion bringt aber auch eine gefährliche Rückreaktion mit sich. Der entstandene Sauerstoff könnte wieder mit dem Kohlenstoff reagieren: Heraus kommt etwas, was man als einen Brand kennt.
List gibt selbst zu, das Ganze könnte eine Schnapsidee sein, genauso gut aber könnte der Gedanke auch so simpel und brillant sein, dass er bisher übersehen wurde. Und genau mit solchen Entdeckungen konnte der Naturwissenschaftler bereits mehrfach überzeugen. Der Vortrag hat den Leuten also Einiges geboten, aber vor allem wollte der Nobelpreisträger eines bezwecken: Ein Aufruf an alle Forschenden und Interessierten im Raum, sich dem Klimawandel nicht mit Angst entgegenzustellen, sondern mit dem Willen, ihm gezielt durch Innovation und Umdenken entgegenzuwirken.
Von Elena Lagodny
...studiert Biowissenschaften, schreibt seit WS 2023 für den Ruprecht und nutzt Interviews als Grund um mit interessanten Leuten zu reden
...studiert Biowissenschaften und schreibt … nichts. Er layoutet und illustriert seit 2023 für den ruprecht.