Keine Uni, kein Plan? Auch in der vorlesungsfreien Zeit muss man sich beschäftigen. Was man in den Semesterferien so alles machen kann
Das Ende der Vorlesungszeit erreicht, durch die Klausurenphase durchgepowert und schon hat man sie vor der Nase: zweieinhalb Monate Semesterferien. Aber sind es wirklich Ferien? Warum verwenden viele lieber die vorsichtige Bezeichnung „vorlesungsfreie Zeit“? Fünf Studierende berichten von ihren Sommerbeschäftigungen und zeigen, wie unterschiedlich man die vielen Wochen zwischen den Semestern gestalten kann.
Timo studiert Physik und hat einen Großteil seines Sommers in Heidelberg mit einem Pflichtpraktikum verbracht. Ich studiere Germanistik im Kulturvergleich und Soziologie und habe ein freiwilliges Praktikum im Ausland absolviert. Auch Robert, der Geografie und Politikwissenschaft studiert, war im Ausland unterwegs, allerdings ohne akademische Agenda – er hat eine siebenwöchige Reise durch Zentralasien unternommen. Ulrike studiert Jura und hat außer ihrem Schreibtisch nicht sehr viel von der Welt gesehen. Justus hat bei seinem Ferienjob auf einem Volksfest in Bayern langweilige, aber gut bezahlte Arbeit geleistet.
Schnell wird ersichtlich, dass einige von uns mehr ‚Ferien‘ hatten als andere. Das kann man sich zwar manchmal aussuchen, aber auch nicht immer. Pflichtpraktika sind beispielsweise als Module in der Prüfungsordnung eines Studiengangs festgeschrieben. Timos Laborpraktikum gehört zu denen, deren Ort und Zeitpunkt im Studienverlauf festgelegt sind. Es bestand aus einer Reihe von Versuchen, für die die Praktikant:innen jeweils ein Protokoll schreiben mussten. Der Arbeitsaufwand ist nicht zu unterschätzen: „Die von den Dozenten angegebene Arbeitszeit ist für Normalsterbliche auf keinen Fall genug“, sagt Timo. Aufgrund des hohen Arbeitsvolumens habe sich die Zeit der Semesterferien für ihn nicht wirklich von der Semesterzeit unterschieden, und viel Zeit zur Erholung sei ihm nicht geblieben.
Wer keine Pflichtpraktika machen muss, aber trotzdem schon während des Studiums Praxiserfahrungen sammeln möchte, kann sich auch selbstständig ein Praktikum suchen. Ich habe diesen Sommer ein einmonatiges Unterrichtspraktikum an einem Gymnasium in Sarajevo absolviert, das für mich Reisen und Lehrerfahrung vereint hat, da ich neben meiner 30-stündigen Arbeitswoche auch reichlich Zeit hatte, die Stadt und Umgebung zu erkunden. Die Semesterferien eignen sich für kurze Praktika, da so auch Zeit für Hausarbeiten oder Urlaub bleibt. Noch dazu kann man sich freiwillige Praktika fürs Studium anrechnen lassen, und damit gegebenenfalls kommende Semester etwas entzerren.
Aus einem ähnlichen Grund hat sich Ulrike diesen Sommer gleich mehrere Hausarbeiten vorgenommen, was in den Geisteswissenschaften durchaus üblich ist. Sie hat unter der Woche an den Arbeiten geschrieben und sich die Wochenenden freigenommen. Auch für einen Urlaub hat sie noch Zeit gefunden. Da man sich das Thema einer Hausarbeit meist selbst aussuchen kann, bieten diese durchaus eine Möglichkeit, sich intensiv mit den Dingen zu beschäftigen, für die man sich besonders interessiert. Trotzdem kann es passieren, dass bei mehreren Hausarbeiten hintereinander irgendwann die Motivation schwindet. „Nach Ferien fühlt es sich erst dann an, wenn man fertig ist“, meint Ulrike – und je mehr Hausarbeiten man schreibe, desto länger sei man damit beschäftigt.
Die Vorgaben des Studiums bestimmen darüber, wie viel Freizeit bleibt
Kurz und effektiv war dagegen Justus‘ Sommerbeschäftigung: Sein Ferienjob auf dem Gäubodenvolksfest Straubing in Bayern dauerte nur zehn Tage. Die Arbeit habe daraus bestanden, in einem Bierzelt den Ausschank zu kontrollieren. Eine Arbeit, die „extrem eintönig und langweilig ist“, beschwert sich Justus. Allerdings seien sowohl das Verhältnis zu den Kolleg:innen als auch die Bezahlung sehr gut, sodass er diesen Job mittlerweile zum dritten Mal gemacht hat. Generell kann es sinnvoll sein, die Semesterferien zum Arbeiten zu nutzen, besonders wenn man unter dem Semester lieber nicht arbeitet. „Ich würde auf keinen Fall die kompletten Semesterferien für einen Job opfern, ein paar Wochen bieten sich aber natürlich gut zum Jobben an,“ sagt Justus.
Wie wir alle wissen, hat die Welt aber noch viel mehr zu bieten als Labore, Schreibtische und Bierzelte. Robert benutzt seine Semesterferien gerne zum Reisen: „Ich genieße es, fremde Kulturen und Küchen zu entdecken und in Regionen unterwegs zu sein, die wenig bis gar nicht touristisch erschlossen sind“, schwärmt der Geografiestudent. Diesen Sommer war er in Kirgistan, Kasachstan, Usbekistan und Tadschikistan unterwegs. Es sei ein abenteuerlicher Urlaub gewesen, der sich zwar nach Reisen angefühlt habe, aber nicht nach Ferien, berichtet er. Das gute am Urlaub ist ja, dass man das Ziel und die Aktivitäten selbst wählen kann. Wer also lieber auf Bali am Strand liegt, kann auch das in den Semesterferien tun.
Wie man die Zeit zwischen den Semestern nutzt, hängt letztendlich von den Vorgaben des Studiums, aber auch von den eigenen Wünschen und Prioritäten ab. Wie auch die Studierenden in diesem Artikel, füllen viele ihre Zeit mit Dingen, für die unter dem Semester keine Zeit bleibt, oder für die sich die Semesterferien besser eignen. Wer den Anspruch auf echte Ferien hat, wird schnell enttäuscht, aber wer die Semesterferien als Abwechslung zum Studienalltag sieht, kann doch Gefallen darin finden.
Von Odette Lehman
...studiert Germanistik im Kulturvergleich und Soziologie im Bachelor und leitet seit dem Wintersemester 2024/25 das Ressort "Studentisches Leben". Sie ist seit Ende 2023 beim ruprecht aktiv und interessiert sich besonders für Dinge, die eine gründliche Dosis Reflektion und neue Perspektiven gebrauchen können, deshalb schreibt sie gerne über aktuelle gesellschaftliche, kulturelle und politische Themen.
...studiert Biowissenschaften und schreibt … nichts. Er layoutet und illustriert seit 2023 für den ruprecht.