Wie Studierende im Auslandssemester den Wahlkampf erlebten und was US-Amerikaner:innen selbst über den unerwartet deutlichen Sieg Donald Trumps sagen
Let everyone be subject to the governing authorities, for there is no authority except that which God has established“, zitiert ein republikanischer Wähler nach der gewonnenen Wahl. Auch nach dem Wahlkampf prallen christlich- republikanische und progressiv-demokratische Sichtweisen in den USA aufeinander.
Erstmals seit der Wiederwahl George W. Bushs hat ein republikanischer Präsidentschaftskandidat den „popular vote“ gewonnen. Allein dieses Ergebnis widerspricht den vorangegangenen Wahlumfragen, welche einen „coin toss“ erwartet hatten. Wider Erwarten konnte Donald Trump die Wahl auf allen Ebenen für sich entscheiden. Neben der Präsidentschaft geht sowohl die Mehrheit im Repräsentantenhaus als auch im Senat an die republikanische Partei. Der neue Präsident Trump hat damit einen unerwartet großen Handlungsspielraum erzielt.
Bisher mehrheitlich demokratisch wählende Bevölkerungsgruppen wie Latinos und Arbeiter:innen haben den Demokraten den Rücken zugewandt. Im Endeffekt hat sich eine radikale Form des „economic votings“ durchgesetzt. Die Mehrheit der Wähler:innen hat demnach nicht den Eindruck, dass sie heute wirtschaftlich bessergestellt sind als vor vier Jahren. Demokratie- und Abtreibungsfragen konnten daher weniger mobilisieren, als erhofft. Wie das Ergebnis aufgenommen wird, welche Themen den US-Wahlkampf besonders geprägt haben und wie der Wahlkampf erlebt wurde, das haben wir US-Amerikaner:innen und Studierende im Auslandssemester gefragt. Dabei versuchen wir, das politische Spektrum so gut wie möglich abzubilden.
Bart* ist 63 Jahre alt in Utah aufgewachsen und mittlerweile im Nachbarstaat Idaho wohnhaft. Für ihn, wie für den Großteil der Bevölkerung von Utah und Idaho, ist die Wahl ein „no-brainer“: Es wird rot gewählt. Trump ist für ihn ein Hoffnungsträger, eine großartige Person und zeigt durch seine Gerichtsverfahren, dass selbst erfolgreiche Menschen nie perfekt sein können. Die neue Regierung werde ihr Bestes geben, gesellschaftliche Probleme zu lösen. Diese reichen für ihn von zu hohen Staatsausgaben, Staatsschulden, über zu liberale Abtreibungsrechte bis hin zu einer mangelnden Stärkung des wirtschaftlich emanzipierten Individuums.
Rob, 24, aus Connecticut sagt mir im Gespräch, dass für ihn Abtreibungsrechte das entscheidende Thema im Wahlkampf waren. Er ist Familienvater, christlich und hat ehrenamtlich mit beeinträchtigten Kindern und Jugendlichen gearbeitet. Für ihn habe jedes Kind, auch unter schweren Umständen ein Recht auf Leben verdient.
Bart und Rob sind positiv überrascht, wie eindeutig sich die republikanische Partei sowohl im Repräsentantenhaus als auch im Senat durchsetzen konnte. Weniger überrascht wären sie allerdings, wenn es zu einem erneuten Anschlag auf Trump kommen würde.
Rob ist dankbar, dass es nach der Wahl noch keine politischen Ausschreitungen gab. Während Obamas Amtszeit war Rob selbst politisch aktiver, heute möchte er lieber helfen anstatt zu debattieren, auch wenn viele seiner Nachbar:innen andere politische Positionen vertreten. Denn würden die Vorurteile über die politischen Gegner:innen zutreffen, könnte er nachts nicht mehr schlafen.
Nach der Wahl sind für Bart und Rob nun die politischen Entscheidungsträger:innen am Zug, den Regierungsauftrag bestmögliche umzusetzen. Ihre Gelassenheit ziehen sie aus ihrem christlichen Glauben, selbst wenn die politische Lage angespannt ist.
An der Ostküste, in Massachusetts, erlebt Theresa, 20, ein anderes Amerika. Im Auslandssemester ist sie einerseits mit Menschen in Kontakt gekommen, die verhältnismäßig unpolitisch sind und andererseits mit jenen, die den Wahlkampf angespannt beobachtetet hatten.
In den Tagen nach der Wahl sind einige Kurse an der Uni ausgefallen. Die, die stattfanden, beschäftigten sich damit, wie man mit den Konsequenzen des Wahlergebnisses umgehen könne. Eine Dozentin habe ihre Studentinnen darauf hingewiesen, vorsorglich die Pille danach zu kaufen. Diese sei vier Jahre haltbar und, man wisse nie, wie lange man noch selbstbestimmt Zugang zu Verhütung habe. Andere Dozent:innen weinten in ihren Kursen.
Theresa sagt, sie könne die Zukunftsängste, Verunsicherung und gefühlte Machtlosigkeit der Amerikanner:innen spüren. Im Lichte der US-Wahlen habe sie ihre Rechte und Privilegien in Deutschland neu zu schätzen gelernt.
Im Nachbarstaat Connecticut erlebt Lara, 23, in ihrem Auslandssemester einen kaum politischen Campus. Es entstehe fast der Eindruck, dass die Wahl totgeschwiegen wird. Vereinzelt spürt sie eine drückende Stimmung unter Internationals und Professor:innen, die nach dem Wahlsieg von Trump um ihren Job fürchten.
Nur einmal habe sie am Campus mit Trump-Wählenden diskutiert. Diese seien der Ansicht, dass Trump das Land besser wirtschaftlich aufstellen könne und mehr Macht nach außen demonstrieren kann als die weibliche Kandidatin Harris. Lara habe im Laufe des Wahlkampfs öfter gehört, dass Harris in manchen Fällen explizit nicht gewählt werde, weil sie eine „schwache Frau“ sei. Besonders ist ihr jedoch die Diskrepanz zwischen der Darstellung des Wahlkampfs in deutschen Medien und ihrem tatsächlichen Eindruck in den USA aufgefallen. Sie selbst habe die Chancen von Harris zu keinem Zeitpunkt als sonderlich hoch eingeschätzt. Noch vor der Wahl hatte sie den Eindruck, Trump werde das Rennen klar für sich entscheiden.
Anders nahm das Tristan, 21, wahr. Für dessen Umfeld, ebenfalls in Connecticut, kam der eindeutige Sieg Trumps unerwartet. Zwar sei auch sein Campus auffällig unpolitisch, jedoch würden Professor:innen anders als in Deutschland offen politische Meinungen kundtun. Nahezu alle hätten sich dabei klar gegen Trump ausgesprochen. Eine gute Freundin und überzeugte Demokratin sagte ihm in den Tagen nach der Wahl: „Wenn wir länger darüber reden, weine ich“.
Von Sonja Drick
*Name von der Redaktion geändert
...studiert Politikwissenschaft und Volkswirtschaftslehre im Bachelor. Sie schreibt seit November 2023 für den ruprecht und kann die Zeitung besser lesen, als sie danach wieder zusammenzufalten.