Für viele Nicht-EU-Bürger ist ein Studium in Österreich bald unerschwinglich
Gemächlich spazieren Paulina Armos und Gustavo Camacho entlang der verschneiten Salzach-Promenade in Richtung Café Bazar. Seit letztem Herbst leben und studieren die beiden nun schon in Salzburg. Wohlgefühlt hat sich das Pärchen aus Mexiko-Stadt hier gleich von Beginn an.
Doch seit Kurzem ist ihre gute Stimmung getrübt. Grund dafür ist eine Änderung der österreichischen Studiengebührenregelung: Ab dem kommenden Semester müssen Langzeitstudenten und Studenten aus Nicht-EU-Staaten wieder fürs Studium zahlen – von Letzteren wird sogar der doppelte Betrag gefordert. „Was da gerade passiert ist uns internationalen Studenten gegenüber ziemlich rücksichtslos“, ärgert sich Gustavo und nimmt erst einmal einen Schluck von dem heißen Kaffee, der ihm vom Kellner im Bazar gerade serviert wurde. „Erst Mitte Januar haben uns unsere beiden Universitäten per E-Mail darüber informiert, dass wir plötzlich viel mehr bezahlen müssen. Und so etwas sagt man uns nur sechs Wochen, bevor das Geld fällig wird!“ Dass sie die Informationen noch dazu nur auf Deutsch erhalten haben, findet er unmöglich.
Anstatt wie bisher 363 Euro muss der 26-jährige Masterstudent von nun an in jedem Semester 726 Euro an die Musikuniversität Mozarteum überweisen. Auch für seine Freundin Paulina wird es teurer. Sie macht derzeit einen einjährigen Deutschkurs an der Universität Salzburg, um dort später Musik- und Tanzwissenschaft studieren zu können. Bisher musste sie lediglich 105 Euro für den Sprachkurs bezahlen. Ab Februar fallen für sie während des Deutschkurses zusätzliche Semestergebühren in Höhe von 363 Euro an. Sobald sie ihr ordentliches Studium beginnt, wird auch sie den doppelten Betrag an die Uni überweisen müssen. Damit stehen die beiden vor einer beträchtlichen finanziellen Mehrbelastung, mit der sie so nicht gerechnet hatten.
Doch wie kam es zu dieser Gesetzesänderung? Schon seit sie 2001 eingeführt wurden, sorgen die Studiengebühren in Österreich für Wirbel. Erst mussten alle Studenten zahlen, 2008 wurden die Gebühren für Einheimische und Studenten aus der EU wieder abgeschafft – nur noch Langzeitstudenten und Studenten aus Drittstaaten, also Ländern außerhalb der EU, mussten einheitlich 363 Euro bezahlen. 2011 wurde das Gebührengesetz vom Verfassungsgerichtshof aus formalen Gründen ganz außer Kraft gesetzt. Der großen Regierungskoalition mochte es daraufhin einfach nicht gelingen, sich auf eine brauchbare Regelung zu einigen, woraufhin Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle im Frühjahr 2012 die Universitäten dazu aufrief, trotzdem Gebühren einzufordern – autonom und ohne gesetzliche Grundlage. Acht Universitäten, darunter auch das Mozarteum, kamen dieser Empfehlung nach.
„Respektlos gegenüber uns internationalen Studenten“
Über das Studiengebührengesetz wurden sich die Regierungsparteien schließlich erst Ende letzten Jahres einig: Sie lösten die formalen Probleme und beschlossen, ab dem Sommersemester wieder einfache Studiengebühren von Langzeitstudenten, und doppelte Gebühren von Studenten aus Drittstaaten zu verlangen. Ausnahmen gibt es zwar, doch diese betreffen nur eine Minderheit der betroffenen Studenten. Rückwirkend wurde zudem festgelegt, dass jene acht Universitäten, die schon zuvor autonom Gebühren verlangt haben, mit ihrem Vorgehen im Recht waren.
Die Studenten in Österreich reagierten mit Protest: Anfang Dezember organisierte die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) in mehreren Städten Demonstrationen. Doch da war es bereits zu spät.
„Die ÖH ist prinzipiell gegen Studiengebühren“, erklärt Kay-Michael Dankl vom Bildungspolitischen Referat der ÖH Salzburg. Am neuesten Gebührengesetz kritisiert der 24-jährige Politikstudent besonders die verschärften Bedingungen für Studenten aus Drittstaaten. Um sich das Studium leisten zu können seien viele Betroffene nun noch mehr darauf angewiesen, sich etwas dazu zu verdienen. Als Nicht-EU-Bürger dürften sie dabei jedoch lediglich geringfügigen Beschäftigungen nachgehen. Für Bachelor-Studenten bedeute das: Höchstens zehn Stunden Arbeit pro Woche, oder ein Verdienst von maximal 380 Euro im Monat. Schon ohne Studiengebühren reiche dies zum Leben in Salzburg kaum aus. „Wir befürchten, dass nun hunderte von Betroffenen entweder ihr Studium abbrechen müssen, oder in die Schwarzarbeit gedrängt werden.“
Insgesamt geht Dankl allein an der Uni Salzburg von rund 1200 Betroffenen aus. Erich Müller, Vizerektor für Lehre der Uni Salzburg, rechnet nicht damit, dass es so viele werden.
Dass es durchaus viele sind, bekommt Peter Engel vom Studienberatungszentrum der ÖH Salzburg deutlich zu spüren. Fünf bis zehn Anfragen von Betroffenen bekommen er und sein Team derzeit jeden Tag. „Erfahrungsgemäß ist das nur die Spitze des Eisbergs.“ Engel vermutet, dass die Situation für viele überraschend eintrat, auch, weil sich die Informationen zur Neuregelung nur gerüchteweise verbreiteten. Von der Entwicklung, zu der die Gesetzesnovelle beiträgt, hält er nicht viel: „Wir nehmen in Österreich nur Studierende aus dem Ausland auf, wenn sie reich sind und Geld dalassen. Das fängt schon beim Nachweis der finanziellen Mittel für die Ausstellung eines Aufenthaltstitels an und erreicht einen neuen Höhepunkt bei den doppelten Studiengebühren“, resümiert er.
„Wir nehmen in Österreich nur reiche Studenten auf“
Andreas Mayerdorfer würde das wohl unterschreiben. Der Lehramtsstudent hilft seit einem Jahr seiner georgischen Freundin Ana im Umgang mit den österreichischen Behörden. „Füher hab ich immer geglaubt, man hat’s als einheimischer Student schon schwer. Aber nach all meinen Erfahrungen denk ich mir: Wir leben schon in einem goldenen Käfig. Es gibt so viele ausländische Studenten unter uns, die regelrecht um ihre Existenz kämpfen müssen.“ Die neue Gebührenregelung sei da nur der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringe.
So radikal wie die ÖH lehnt Mayerdorfer die Studiengebühren aber nicht ab. Zwar ist auch für ihn klar, dass 726 Euro zu viel ist. Den einfachen Satz von 363 Euro pro Semester würde er aber akzeptieren, wenn den Drittstaatenangehörigen der Zugang zur Arbeit erleichtert, und die Arbeitserlaubnis auf 16 Stunden pro Woche ausgeweitet würde. „Dann hätten die ausländischen Studenten in Österreich super Studienverhältnisse.“ Wegen der derzeitigen Situation müsse aber inzwischen selbst seine Freundin Ana ihr Studium höchstwahrscheinlich abbrechen.
Auch Paulina und Gustavo werden aus der Neuregelung Konsequenzen ziehen müssen. So drastisch wie in Anas Fall ist es bei den beiden zwar nicht. Aber um sich das Studium in Salzburg auch weiterhin leisten zu können, schauen sie sich nun nach Stipendien und Nebenjobs um. „Für uns ist es eine Priorität, das Studium hier zu Ende zu bringen.“ Dass ihnen das gelingt, können die beiden im Moment nur hoffen.
von Christoph Straub aus Salzburg (Österreich)