Vor über einem Jahr trat die Mathematikerin das Amt der Bundesbildungsministerin an. Viel geleistet hat sie bisher nicht.
Mindestlohn, Doppelpass, Mütterente, Rente ab 63, Energiewende – die Geschwindigkeit der Regierungsarbeit der Großen Koalition scheint gewaltig. Ihre wichtigsten Projekte wurden in den letzten Wochen in Gesetzestexte gegossen oder sind kurz davor. Allein das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bleibt bislang jegliche Erfolgsmeldungen schuldig. Und das, obwohl die Chefin des Hauses, im Gegensatz zu den meisten ihrer Kollegen, schon unter der Vorgängerregierung ins Amt kam: Vor mehr als einem Jahr trat Johanna Wanka die Nachfolge von der mittlerweile überführten Plagiatorin Annette Schavan an. Als Ministerin schien sie prädestiniert für diesen Job – die gelernte Mathematikerin hatte viele Jahre als Wissenschaftsministerin in Brandenburg und Niedersachsen gedient. Eine kompetente Fachministerin im Kabinette Merkels – eine wahre Rarität. Gleich zu Beginn versprach sie eine längst überfällige Reform des Bafög.
Doch erwies sich diese Ankündigung als leeres Versprechen: Der aufziehende Wahlkampf brachte alle Verhandlungen zwischen Bund und Ländern zum Erliegen. Für Ernüchterung sorgten dann die Koalitionsverhandlungen. Ursprünglich hieß es, CDU/CSU und SPD seien sich über eine Bafög-Novelle einig. Doch dann die Überraschung: Im Koalitionsvertrag tauchte das Bafög nicht auf. Ein „redaktioneller Irrtum“, ließ die Regierung in spe verlauten. „Wir machen eine Bafög-Reform, darauf können Sie sich verlassen“, beschwichtigte die Ministerin umgehend. Doch seither ist nun schon fast ein halbes Jahr vergangen und eine Reform des Bafög ist weiter nicht in Sicht. Die Bundesregierung erklärte bei der Veröffentlichung des Bafög-Berichtes Ende Januar lediglich, dass die „Weiterentwicklung des BAföG notwendig“ sei und man die „notwendigen Gespräche unmittelbar“ aufnehmen werde. Doch auch zum heutigen Tag hat sich an diesem Sprachgebrauch nichts geändert.
Das Bildungsministerium gegenüber dem ruprecht: „Die für eine Entscheidung über konkrete Änderungsvorschläge der Bundesregierung erforderlichen Vorgespräche und Überlegungen sind noch nicht abgeschlossen.“ Dabei scheint eine Novelle dringender denn je. Die letzte „Reform“ ist nun schon vier Jahre her und bestand lediglich aus einer Anhebung der Sätze um fünf Prozent. Seitdem sind die Lebenshaltungskosten stark gestiegen. Stefan Grob vom Deutschen Studentenwerk fordert daher auch eine „substantielle Erhöhung“ des Bafög – um mindestens 7,5 Prozent bei den Bedarfssätzen, und um mindestens 10 Prozent bei den Elternfreibeträgen. „Noch besser wäre es, das Bafög regelmäßig und automatisch an die Entwicklung von Preisen und Einkommen anzupassen.“ Außerdem fordert er eine Reihe von qualitativen Besserungen. Mit einer Reform rechnet er frühestens zum Wintersemester 2015/16 – „vorausgesetzt, Bund und Länder können sich darauf einigen“. Besonders die Finanzierung einer solchen Reform ist der Knackpunkt: Wanka will, dass die Bundesländer die Mehrkosten von mehr als einer Milliarde Euro mittragen, wogegen die Länder bislang hartnäckig Widerstand leisten.
Aber auch in anderen Bereichen der Bildungspolitik konnte die Regierung bislang wenig vorweisen. Schon der Koalitionsvertrag blieb im Ungefähren: Man wolle „die Dynamik der Exzellenzinitiative“ und „des Hochschulpaktes“ erhalten und „die Förderung der außeruniversitären Forschungseinrichtungen vorantreiben“. Was diese Maßnahmen genau bedeuten und wann sie umgesetzt werden könnten, ist weiter unklar. Einen Gesetzesentwurf gab es aus dem Hause Wanka bisher noch nicht. Dabei besteht gerade im Bereich der Hochschulfinanzierung dringend Reformbedarf.
Für Kai Gehring, Bildungspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, sind die Regierung und Johanna Wanka in der Bildungspolitik daher auch „herbe Enttäuschungen“. „Wegen fortdauernder Konzeptlosigkeit und großkoalitonärer Selbstblockade droht Wanka erstes Sparopfer von Schäubles ‚Schwarzer Null‘ zu werden“, sagt Gehring. Bislang versuchte es Johanna Wanka mit der ihrer Art entsprechenden ruhigen Hand. Wenn diese Legislaturperiode keine des bildungspolitischen Stillstands werden soll, muss es damit vorbei sein.
von Michael Graupner