Ende 2014 läuft der bestehende Solidarpakt zwischen Universitäten und Land aus (Siehe „Hochschulen in Not“). Darüber hinaus ist ihre Finanzierung unklar; Über eine Nachfolgeregelung wird noch verhandelt. Auf einem landesweiten Aktionstag protestierten nun Vertreter von Hochschulen gegen Sparpläne. Wir sprachen mit Rektor Bernhard Eitel über explodierende Kosten, den Solidarpakt und ignorante Sorglosigkeit.
Herr Eitel, während des Aktionstages zeichneten Sie dramatische Bilder von der finanziellen Lage der Universität Heidelberg. Wird die Ruperto Carola in zehn Jahren noch existieren?
Bernhard Eitel (lacht): Davon gehe ich aus. Die Frage ist nur wie.
Wissenschaftsministerin Theresia Bauer hat doch mehrfach versichert, dass sie ihr „Wort halten“ und die Grundfinanzierung der Universitäten „substantiell“ verbessert werde. Warum dann dieser Protest?
Wie hoch ist denn das Wort „substantiell“ zu veranschlagen? Wie schwer wiegt es? Um die Dimensionen einmal klar zu machen: Wenn man den Grundetat der Universität ohne die Medizinfakultäten nimmt und rechnet die laufenden Personalkosten heraus, geben wir inzwischen nahezu 50 Prozent nicht für Forschung und Lehre aus, sondern für steigende Betriebskosten und Infrastruktur. Das ist ein irrsinnig hoher Anteil. Gerade die Stromkosten wachsen explosionsartig: Wir bekommen sechs Millionen Euro für Energie vom Land, faktisch müssen wir aber 14 Millionen ausgeben. Wir sind mit unseren Möglichkeiten zu sparen und zu optimieren am Ende angelangt. Wenn eine Universität in der Performance kippt, dann ist es enorm schwer, sie wieder aus dem Tal herauszuführen. Das wird so unverhältnismäßig teuer, dass man davor nur warnen kann.
Gibt es im Rektorat schon Pläne, wie man in Zukunft Angebote kürzen oder Stellen streichen will?
Nein. Darüber machen wir uns zur Zeit keine Gedanken, jetzt müssen wir für einen guten Solidarpakt mit dem Land kämpfen. Wir schätzen aber ungefähr die Dimensionen ab: Wenn der Status Quo der Landesfinanzierung erhalten bliebe, dann stehen wir vor einem Defizit von etwa acht Millionen Euro pro Jahr. Das ist ungefähr die Dimension einer großen Fakultät. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Im nächsten Jahr endet der Wissenschaftspakt des Bundes. Wenn der nicht verlängert wird, brechen bei uns weitere rund 14 Millionen Euro weg. Dann sprechen wir bereits über ein Defizit von 22 Millionen. Der gesamte Unterhalt der Universität ohne Personal liegt bei 50 Millionen – das heißt, uns fehlt etwa ein Drittel in der Finanzierung der Uni. Dabei habe ich den Eindruck, wir alle kämpfen gegen eine Mentalität an, die davon ausgeht, dass alles in Ordnung ist, jeder hat Vollbeschäftigung, alles prima. Auch die Öffentlichkeit nimmt die Situation nicht richtig wahr. Denn wir können nicht behaupten, bei uns laufe alles mies. Das liegt daran, dass wir forschungsmäßig boomen und dann ist es eben schwierig zu sagen: Leute, wir fahren 280, aber wir fahren 280 gegen eine Wand! Genau in diesem Dilemma sind wir. Und ich sehe im Moment auch keine Ausweich- oder Bremsmöglichkeit, ohne die Universität zu beschädigen.
Spätestens im nächsten Jahr kommen Einschnitte und die werden richtig schmerzen
Auf dem Aktionstag haben die Mediziner besonders laut protestiert, wobei deren Ausstattung sicher nicht die schlechteste ist. Sollte man nicht auch innerhalb der Universität ein bisschen Solidarität erwarten und das Geld lieber in wirklich finanzierungsbedürftige Institute stecken?
Die Frage ist sicher berechtigt, aber sie führt nicht zum Ziel. Dann unterstellen Sie anderen wieder Partikularinteressen. Auch die Mediziner pfeifen eigentlich aus dem letzten Loch, denn Sie müssen bedenken, dass ein Medizinstudienplatz im Verhältnis sehr teuer ist. Diese Ungleichheiten intern wird es immer geben. Jede Fakultät, jeder Studiengang hat eigene Probleme. Wir versuchen diese Probleme so gut es geht zu lösen. Die aktuelle Situation ist aber so, dass wir an unsere Grenzen stoßen. Wir können in diesem Jahr auf dem jetzigen Stand noch halbwegs wirtschaften und wir werden mit Mühe auch das nächste Jahr überstehen. Spätestens dann kommen Einschnitte und die werden richtig schmerzen. Dann bin ich der böse Bube und das ganze Problem wird auf die Universitätsleitung abgewälzt. Und dazu habe ich weder Lust, noch sehe ich einen höheren Lebenssinn in dieser Rolle.
Warum schließen die neun Landesuniversitäten die weit über 80 Hochschulen nicht in ihre Forderungen mit ein?
Weil bislang die Universitäten vom Land systematisch benachteiligt werden. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Die Universitäten müssen den Betrieb für ihre Gebäude aus der Grundausstattung nehmen. Wenn wir im Neuenheimer Feld ein neues Gebäude bauen, dann bekomme ich vom Land keinen zusätzlichen Cent für die dafür erforderlichen Betriebskosten. Bei allen anderen Hochschulen im Land übernimmt das Finanzministerium die zusätzlichen Kosten, insbesondere die vollen Energiekosten, automatisch. Daher fordern wir eine deutliche Erhöhung der Betriebsmittel. Und ich muss Ihnen sagen, ich habe keinerlei Verständnis dafür, dass der Finanzminister da blockt. Es ist eine groteske Verkennung der Lage, weil ein Euro, den man bei uns investiert, in der Wertschöpfung den Faktor 2,3 bis 2,8 produziert. Das heißt, Universitäten kosten kein Geld. Im Gegenteil: Wir sind ein Investment, aus dem das Land das Zwei- bis Dreifache herauszieht.
Überall muss gespart werden. Ab 2020 gilt für die Länder die Schuldenbremse. Warum müssen sich denn gerade die Universitäten da herausnehmen?
Ich habe rein gar nichts gegen das Sparen. Aber wir Universitäten erbringen unsere Sparleistungen ununterbrochen seit 1998, denn seitdem sind unsere Grundmittel nicht mehr gestiegen. Wenn man seit 16 Jahren am tertiären Bildungssektor spart, habe ich dafür keinerlei Verständnis. Die Studierenden merken das noch wenig, weil wir hier in Heidelberg wirklich alle Anstrengungen unternehmen, diese negative Entwicklung insbesondere über die Einwerbung von Forschungsmitteln abzumildern.
Um die finanzielle Zukunft der Universität Heidelberg geht es ja bei den aktuellen Verhandlungen zum Solidarpakt III zwischen Hochschulen und dem Land. Wie ist der derzeitige Stand?
Seit über einem Jahr drängt die Landesrektorenkonferenz, endlich in direkte Gespräche einzutreten. Bis Frühjahr ging es überhaupt nicht voran. Wir haben bis heute immer in großen Runden getagt, ohne wirklich in einen transparenten Verhandlungsprozess einzutreten. Es ist zudem ein unglaublich komplizierter Prozess: Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst spricht mit uns, verhandelt aber dann getrennt mit dem Finanzministerium. Die Verhandlungen werden um die Ecke geführt und niemand weiß eigentlich etwas Konkretes. Wir sehen überhaupt keinen Fortschritt. Es gibt bis heute keine Zahlen, aber unser Solidarpakt läuft in sechs Monaten aus.
Wir sind ein Investment, aus dem das Land das Zwei- bis Dreifache herauszieht
Wann rechnen Sie mit einem Abschluss der Verhandlungen?
Wir hoffen einfach, dass es im Herbst einen Solidarpakt gibt, mit dem wir zufrieden sein können. Die Forderungen der Universitäten sind aus meiner Sicht durchaus angemessen und realistisch. Klar kostet ein solcher Solidarpakt das Land schon ordentlich Geld. Aber wenn man einmal vergleichen würde, was die Universität heute anbietet und was sie 1998 angeboten hat, sieht man unglaubliche Angebotserweiterungen, das beginnt bei der Mensa des Studentenwerks, geht über die Studienangebote und endet in der Universitätsbibliothek.
Derzeit gibt es Pläne das Centre for Asian and Transcultural Studies zu bauen. Ein millionenschweres Projekt. Kommen da nicht ungeheure Belastungen auf die Institute zu?
Nein. Wir haben in der Bund-Länder-Finanzierung einen Antrag gestellt für einen Forschungsbau für die Asian and Transcultural Studies, um in Bergheim alle Sozialwissenschaften zusammenzuführen. Das gesamte Bauvorhaben kostet 30 Millionen Euro, wovon zwei Drittel in den Forschungsbau gehen. Mit dem Rest wird saniert und umgezogen. Jetzt fehlt nur noch ein Restbetrag, eine überschaubare Summe. Da haben wir alle beteiligten Fächer gebeten, doch zu überlegen, wie sie aus Eigenmitteln einen Beitrag leisten können. Die Fächer haben dem zugestimmt und versuchen jetzt zusammen mit den Studierenden Qualitätssicherungsmittel einzusetzen. Die Universität muss sich ja schließlich weiterentwickeln und das ist eine gemeinsame Aufgabe von allen.
Das Gespräch führte Michael Graupner