Das Notenvergleichsportal Gradeview verspricht, aus Noten den Stand im Vergleich zu den Kommilitonen und die Chancen auf dem Arbeitsmarkt auszurechnen. Doch die Seite bleibt weit hinter ihrem Potenzial zurück.
Sie gehören zum Studium, wie die Destille zur Unteren Straße: die Zukunftsängste. Man kann sich den schlechten Prognosen über die Berufschancen deutscher Akademiker kaum entziehen. Nahezu jede große und kleine Tageszeitung prophezeit in regelmäßigen Abständen eine Flutung des Arbeitsmarktes durch Hochschulabsolventen. Dies geschieht in einem Ton, als stünde die Apokalypse der deutschen Wirtschaft bevor. Dass uns derartige Schwarzmalerei im Uni-Alltag ganz und gar nicht weiter hilft, ist unbestritten – als ob der Lernstress noch nicht genügen würde.
Aber wie schlecht steht es tatsächlich um die individuellen Berufschancen? Wie viel besser, schlechter, effektiver oder länger studieren meine Kommilitonen wirklich? Den Machern des Portals „Gradeview“ reichte der Blick in die Kristallkugel nicht mehr aus. Sie wollten eine klare Übersicht über Studienleistungen, mögliche Praktikumsstellen und den Vergleich zu den Mitstudenten. Wie erfolgreich sie dies auf www.gradeview.de erreicht haben, haben wir getestet.
Die Anmeldung und Orientierung auf der Seite ist unkompliziert und klar. Nun kann man seine bisher erbrachten Studienleistungen in Form von Noten und Leistungspunkten eintragen, allerdings wählt man die Bezeichnung seiner Fächer selbst, will heißen, trotz vorheriger Eingabe der Universität und des Studienfaches gibt es nicht die Möglichkeit, einen Überblick über die spezifischen Module des jeweiligen Studiums, wie etwa im uni-internen Portal „Lehre, Studium und Forschung“ (LSF), zu bekommen. Daher ist es fraglich, in wie weit der Notenvergleich zu Kommilitonen überhaupt aussagekräftig ist. Neben dem Vergleich der Noten kann man auch den Abiturschnitt, die absolvierten Praktika und Auslandsaufenthalte eintragen.
Gradeview gibt den Nutzern auch die Möglichkeit, nach passenden Praktikumsplätzen und Stellenangeboten zu suchen. Unklar bleibt hier allerdings, ob die Auswahl von Gradeview aufgrund der Qualität der Studienleistungen getroffen wird. Des Weiteren ist die branchenspezifische Suchfunktion ausbaufähig. Für viele Branchen werden keine oder nur im weitesten Sinne passende Ergebnisse geliefert. Was jedoch am meisten irritiert, ist die errechnete Durchschnittsnote. Sie differiert um mehr als 0,5 Notenpunkte von der im Lehre-Studium-Forschung-Portal der Uni Heidelberg.
Das Portal rühmt sich damit, das einzige zu sein, das „Notenmanagement, Leistungsvergleich und passende Stellenanzeigen kombiniert“. Durch seine übersichtliche Struktur ist Gradeview tatsächlich gut geeignet, um als Bachelor- oder Master-Student seine Noten im Blick zu behalten.
Allerdings müssten wohl noch mehr Studenten Gradeview nutzen, um einen aussagekräftigen Vergleich leisten zu können, denn aus der Vergleichsstatistik geht nicht hervor, mit wie vielen Kommilitonen man verglichen wird und oftmals ist ein Vergleich auch gar nicht möglich. Laut Angaben des Unternehmens sind seit Februar 2013 mehr als 3000 Nutzer auf Gradeview registriert, mit etwa 700 Neuanmeldungen pro Monat. Bei über 300.000 Studenten alleine in Baden-Württemberg ist das jedoch eine verschwindend geringe Zahl.
Doch vielleicht sollte trotz aller ehrenwerten Ambitionen der Wahn des Vergleiches selbst kritisch betrachtet werden. Das Studium soll auch Spaß machen, egal ob man 0,15 Notenpunkte besser oder schlechter als der Durchschnitt des Jahrgangs, des Bundeslandes oder im bundesdeutschen Vergleich ist. Und nicht vergessen: Alles was man mit Freude tut, macht man in der Regel gut.
von Hannah Kapfenberger
Kann dem Artikel nur zustimmen. Die Idee und die Umsetzung von gradeview ist tip top, aber es sind so natürlich zu wenig Nutzer. Aber auch ohne den Vergleich finde ich das Monitoring meiner Noten und das Matching mit Stellen cool.
Was können wir tun, um gradeview bei uns bekannter zu machen? ich glaub die Fachschaften haben keinen Bock drauf, da das ja wohl kommerziell ist?!