Im patagonischen Eis wurden vor einigen Jahren mehrere Überreste von Ichthyosauriern entdeckt. Forscher aus Heidelberg und Karlsruhe lösen dereitdas Rätsel um das Massensterben der Fischsaurier.
Die Entdeckung eines echten Ichthyosaurier-Friedhofs im patagonischen Eisfeld überraschte vor einigen Jahren die ganze Welt. Bisher wurden 46 nahezu vollständig erhaltene Ichthyosaurier-Skelette gemeinsam mit unzähligen Fossilien aus der Kreidezeit entdeckt. Es handelt sich dabei um eine der weltweit bedeutendsten Fossilienfundstellen für marine Reptilien. Lange Zeit war diese unglaublich hohe Konzentration von Fossilen ein Rätsel für die Forscher. Untersuchungen eines deutsch-chilenischen Teams liefern nun erstmals neue Erkenntnisse zur Aufklärung dieses Phänomens.
Entdeckt wurde die Fundstelle im Sommer 2004 von einer Gruppe Glaziologen, die den Rand des Tyndall-Gletschers im Nationalpark Torres del Paine (Südspitze Chiles) untersuchte. Dabei trafen sie zufälligerweise auf die Fossilien eines Skeletts, die als Überreste eines Ichthyosauriers identifiziert wurden. Bereits drei Jahre später, im Jahre 2007, begannen die ersten deutsch-chilenischen Expeditionen zur Untersuchung der Überreste. Von deutscher Seite aus wurde das Team des Heidelberger Geowissenschaftlers Professor Wolfgang Stinnesbeck und dem Paläontologen Professor Eberhard Frey vom Staatlichen Museum für Naturkunde Karlsruhe geleitet. Nach drei Expeditionen übertrafen die Ergebnisse alle Prognosen. Es wurden 46 fast vollständige Ichthyosaurierexemplare vier verschiedener Spezies gemeinsam mit ihrer Beute gefunden: Ammoniten, Belemniten (fossile Kopffüßer), Muscheln, weitere Fische sowie Pflanzenreste, also ein echter Friedhof von vor 120 Millionen Jahren. Was die Forscher überraschte, war jedoch nicht nur die hohe Anzahl an Fossilien am Fundort, sondern auch ihr hervorragender Konservationszustand. Die Umstände der Konservierung waren so günstig, dass sogar Reste zweier Embryonen und weiterer Weichteilgewebe wie Rückenmark erhalten sind. Dass dieser Fund etwas sehr Außergewöhnliches sei und zugleich einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der Ichthyosaurier leiste, betont Professor Stinnesbeck wie folgt: „Vielmehr sind solche sogenannten Konservatlagerstätten etwas ganz besonderes, denn sie ermöglichen paläobiologische Einblicke, die unter normalen Fossilstationsbedingungen nicht möglich sind. Dazu gehören auch die Embryonen. Sie zeigen, dass es sich bei der Region womöglich um ein Brutgebiet der Ichthyosaurier handelte. Dafür sprechen neben der Häufigkeit der Funde auch das Auftreten mehrer Arten und die Häufigkeit von Jungtieren.“ Von Bedeutung ist auch der Fund von Flossen, an denen Bissspuren zu erkennen sind. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um Pliosaurier, die größten marinen Raubtiere ihrer Zeit. Bislang sind zwar noch keine Pliosaurierreste am Fundort entdeckt worden. Mit einem solchen Fund ist jedoch künftig zu rechnen.
Die Ergebnisse der Untersuchungen belegen, dass die Ichthyosaurier als Herdentiere lebten und im submarinen Canyon des heutigen Tyndall-Gletschers zusammen jagten. Zu dem großen Beuteangebot, das sie dort fanden, zählten Tintenfische und kleine Fische.
Aber wie ist dieses Massensterben zu erklären? Die Abspaltung des antarktischen Kontinents von Patagonien verursachte Erdbeben, durch welche Sedimente aus den Wänden des Tyndall-Canyons abbrachen und in den Ozean stürzten. Dabei rutschten Schlamm-, Sand- und Schuttlawinen in die Tiefen des Meeres. Auf dem Weg dorthin rissen sie alles mit sich, auch die mächtigen Meeresreptilien.
„In den Trübeströmen verloren die Sauerstoff atmenden Fischsaurier die Orientierung. Sie wurden über hunderte von Metern in den tiefen Ozean hinabgezogen“, erklärt Professor Stinnesbeck. Die Ichthyosaurier wurden bis zum Meeresboden mitgerissen, wo sie schließlich von den Sedimentlawinen bedeckt wurden. Im Laufe der Zeit verfestigte sich der Schlamm und ermöglichte so die Fossilisation der Leichen.
Dies sind einige der Ergebnisse, die das deutsch-chilenische Forscherteam in der Fachzeitschrift „Geological Society of America Bulletin“ veröffentlichte. Finanziert wurden die Untersuchungen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Chilenischen Antarktis-Institut (INACH). Neben Professor Stinnesbeck und Professor Frey waren Doktor Marcelo Leppe Cartes vom INACH sowie die Chilenische Forstbehörde (CONAF) an dem Projekt beteiligt.
In naher Zukunft könnten noch weitere Expeditionen an der Fundstelle folgen und neue interessante Funde zu Tage bringen, denn bisher wurde nur ein Teil der Sedimente ausgegraben.
von Juan Llull Morey