In etwa einem Jahr wird der Bundestag ein Gesetz zum Thema „Sterbebegleitung“ verabschieden. Soll der ärztlich assistierte Suizid legitimiert werden? Ja, findet Jürgen Walter Meyer von der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS): Jeder Mensch solle das Recht haben, seinem Leben selbst ein Ende zu setzen.
Die Beihilfe zum freiverantwortlichen Suizid ist in Deutschland wie in meinem Heimatland, der Schweiz, straffrei, da dieser selbst keinen Straftatbestand darstellt. Nun, es nützt nichts, dass in Deutschland die Beihilfe zur Selbsttötung straffrei ist. Menschen, die ihrem Leben ein Ende bereiten wollen, können sich nur auf verschiedenste gewaltvolle, qualvolle Weise umbringen. Sind sie schwerstkrank und immobilisiert, so sind sie blockiert.
Der Arzt kann selbst todkranken Menschen nicht helfen. Das verhindert das von Frank Ulrich Montgomery 2011 durchgesetzte, von der Bundesärztekammer erlassene Totalverbot jeder ärztlichen Beihilfe zum Freitod. Hier muss Remedur geschaffen werden. Laut einem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin von 2012 ist das Grundrecht der Freiheit der Berufsausübung und der Gewissensfreiheit des Arztes mit einem uneingeschränkten, ausnahmslosen Verbot der ärztlichen Suizidhilfe nicht vereinbar (mit Berufung auf Art. 4, Abs.1 und Art.12, Abs. 1GG). Selbstverständlich ist kein Arzt dazu verpflichtet, er kann, aber er muss nicht Sterbehilfe leisten.
Aber es ergibt sich noch ein weiteres Problem hierzulande. Wie kann ein Arzt Sterbehilfe leisten? Bei einem Exit-Freitod muss ein Arzt das Rezept für das Betäubungsmittel ausstellen. Das Barbiturat überbringt die Exit-Freitodbegleiterin am Tag des vereinbarten Suizids; diese muss bei der Einnahme durch den Patienten anwesend sein. Nach meinem Wissen verbietet das deutsche Betäubungsmittelgesetz einem Humanmediziner die Verschreibung dieses Mittels in der für den Freitod benötigten Dosis. Wenn also in Deutschland der ärztlich assistierte Suizid ermöglicht werden soll, dann müsste auch das Betäubungsmittelgesetz geändert werden.
Der Fernsehsender Arte hat am 30.11.2014 einen Beitrag zur Sterbehilfe ausgestrahlt, in der Raphal Enthoëven, Professor für französische Philosophie, mit Bernard-Marie Dupont diskutierte. „Bernard-Marie Dupont est médecin universitaire, professeur de philosophie et juriste, spécialisé dans l’éthique médicale, connu pour ses prises de position en faveur du développement des soins palliatifs“ (Quelle: „Arte“). Die interessanteste Äußerung von Professeur Dupont betraf den „Hippokratischen Eid“: Hippokrates von Kos habe die Medizin als ‚Kunst der Begleitung‘ verstanden. Erst viel später, als Folge des Humanismus, sei die Medizin als ‚Kunst des Heilens‘ interpretiert worden.
Dieser Eid ist erstmals rund 500 Jahre nach Hippokrates vom römischen Arzt Scribonius Largus formuliert worden. Er verbietet ausdrücklich aktive Sterbehilfe. Allerdings, „in Deutschland werden weder der Eid noch das „Genfer Gelöbnis“ nach der Approbation verpflichtend abgeleistet“ (Quelle: „Wikipedia“). Die ‚Genfer Deklaration‘ des Weltärztebundes von 1948 ist eine zeitgemäße Version des „Eids des Hippokrates“. Sie wurde mehrfach revidiert, letztmals 2006. Sie enthält keinerlei konkrete Bezüge, weder zur aktiven Sterbehilfe, geschweige denn zum begleiteten Suizid. Nach der Feststellung, dass heute 80 Prozent der Menschen im Spital sterben, wirft Professeur Dupont die Frage auf, wie weit der Tod eines Menschen, der über Schläuche und Kabel mit Maschinen und Messgeräten verbunden sei, überhaupt noch Ausdruck des freien Willens sein könne. Dieser Gedanke weist auf die Bedeutung einer klar formulierten ‚Patientenverfügung‘ hin. Damit ist das Spannungsfeld zwischen Patient und Arzt aufgezeigt.
Es gilt der Grundsatz, dass jeder Arzt das Recht hat, seinem Selbstverständnis folgend eine Unterstützung beim Suizid abzulehnen. Vice versa aber hat jeder Patient das Recht, im Voraus zu bestimmen, wie er behandelt werden soll, welche Eingriffe und Maßnahmen zu unterlassen sind und zwar auch zu dem Zeitpunkt, da er selber nicht mehr ansprechbar ist. Jeder Mensch hat also meiner Meinung nach auch das Recht, im Falle einer schweren, sein Leben beeinträchtigenden oder tödlichen Erkrankung selbstbestimmend seinem Leben in Würde ein Ende zu setzen und dafür einen Arzt zu suchen, der ihm – ohne rechtliche bzw. standesrechtliche Konsequenzen – nach sorgfältigen Abklärungen das dafür notwendige Rezept ausstellt. „La question du choix ultime doit-elle faire l’objet d’une loi?”
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