Ist es sinnvoll, das Lehramtsstudium auf das Bachelor/Master-System umzustellen?
Sollten alle angehenden Lehrer zunächst ein fachspezifisches Bachelorstudium absolvieren und erst im Master die Option bekommen, sich für den Lehrerberuf zu entscheiden? Eberhard Keil, Mitglied des Deutschen Philologenverbandes, findet die Umstellung kontraproduktiv.
„Bologna-Prozess“ und „Lissabon-Strategie“ wollten die EU bis 2010 „zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensgestützten Wirtschaftsraum der Welt“ machen, beides geriet zum Desaster, europapolitisch medial und schrill, bildungspolitisch leise und schleichend. Ausgerichtet an Effizienz, Wettbewerbsfähigkeit und Managementmethoden globaler Unternehmen, entsprach das Bachelor-Master-Modell am ehesten den Anforderungen umfassender Standardisierung, ständiger Evaluierbarkeit und vermeintlich durchgängiger Steuerbarkeit. Nur die Juristen-, Mediziner- und Lehrerbildung wurden von der obligatorischen Umstellung ausgenommen, weil viele EU-Staaten in Rechtsstaat, Volksgesundheit und Bildung unverzichtbare Gestaltungsaufgaben des Staates sahen.
Die versprochenen Segnungen dieser Hochschul-Reform sind ausgeblieben. Viele Bachelors stehen im Ruf des Halbakademikers, weil die Studiengänge keine echte Berufsqualifizierung darstellen. Ein „Bachelor of Education“ ist kein Lehrer und ein „Master“ ist ohne die berufspraktische Ausbildung im Referendariat auch keiner. Anders als für die Staatsexaminierten unter dem staatlichen Ausbildungsmonopol entfällt für sie der Anspruch auf die Fortsetzung ihrer Ausbildung, weil der Staat sie mit dem euphemistischen Hinweis auf die „Polyvalenz“ ihres „Abschlusses“ in die Wüste schicken kann.
Die Bachelor-Master-Studiengänge stellen eine krasse Form der De-Akademisierung dar, wenn man unter einem wissenschaftlichen Studium versteht, dass die Studierenden ein solches in begrenzter Freiheit und definierter Obligatorik selbst steuern, es nach Interesse vertiefen, auch Seiten- und Irrwege betreten und erfahren können und dabei eine individuelle akademische Persönlichkeit entwickeln, die sich in relevanten Examina schriftlicher und mündlicher Art als solche beweist. Demgegenüber zeichnen sich die in hohem Maße modularisierten, segmentierten und zerpunkteten Studiengänge bologneser Art durch entmündigende Verschulung, Dauerdruck und kurzfristiges „Bulimie-Lernen“ aus. Ihr Hauptcharakteristikum ist neben den weitgehend bedeutungslosen, oft nur mündlichen Abschlussprüfungen ein Sack voller gesammelter Punkte für erzielte „Kompetenzen“, welchen die Kandidaten durchs Studium schleppen, der aber keine Gewähr für ihre finale fach(wissenschaft)-liche „Kompetenz“ bietet. Für Lehrer, die ein Leben lang in ihren Fächern „mit der Zeit gehen“ müssen und die in ihrer Arbeit weitgehend auf sich selbst gestellt sind, ist eine solche Studienprägung absolut kontraproduktiv.
Auch für die Hochschullehrer verschieben sich die Aufgaben weg vom Forschen und Lehren hin zum permanenten Prüfen, Korrigieren, Dokumentieren, während die standardisierten Module auch von Hilfskräften „abgespult“ werden können. So erhält man den Standard-Bachelor- bzw. Master-Klon und den zum Bürokraten mutierten Hochschullehrer.
Der beschriebene Schaden ist allerdings auch schon beim gegenwärtigen Staatsexamens-Studiengang der Lehrerbildung eingetreten, welchen man vorauseilend am Bachelor-Master-Modell orientierte. Modularisierung und zusätzliche „professionsbezogene“ Module verwässern die fachwissenschaftlichen Qualität des Studiums, so dass der Niveauverlust aufgrund fachlicher Defizite bei einem Teil unseres Lehrernachwuchses ganz auffällig wird. Diese Fehlentwicklung lässt sich korrigieren, solange der Staat die Gestaltungsverantwortung für die Lehrerbildung behält. Mit der Aufgabe des Staatsexamens aber gibt er seinen Einfluss auf zugunsten öffentlicher und privater Hochschulen. Für deren Studiengänge sind Akkreditierungs-Institute zuständig, wobei ein staatliches Mitsprache- bzw. Vetorecht für die Programm-Akkreditierung papierne Augenwischerei ist, denn mit der Gestaltungskompetenz für Lehrerbildung in den Ministerien verschwindet auch die reale Fähigkeit zur Überprüfung und Einflussnahme. Am Ende obsiegen bürokatische und kommerzielle Interessen.