Alexander Huber ist einer der besten Kletterer der Welt. Der Mann aus der
Milchschnittewerbung wirkt leger, sympathisch, kollegial. Unter seinem T-Shirt
zeichnen sich Muskeln ab, auf die 20 Jahre jüngere neidisch sind. Man hört es sofort –
er ist ein Bayer.
Er studierte Physik an der Ludwig-Maximilians-Universität München,
welche neben dem Geschwister-Scholl-Gymnasium liegt. Er benannte die schwerste
Route, die er als erstes durchkletterte: „Die Weiße Rose“. Seine Promotion an der LMU
brach er für seine Kletterkarriere ab. Am 29.01. gastierte er mit seinem Vortrag “Im
Licht der Berge” in der Stadthalle Heidelberg, wo er uns in einem ausführlichen
Interview sehr persönliche Einblicke gewährte.
Würden Sie für eine Milchschnitte über den Balkon klettern?
Alexander Huber: Ja freilich, das haben wir ja schon gemacht!
Hat ihr Physikstudium für ihre Kletterkarriere was gebracht?
Im direkten Sinn natürlich nicht, denn Physik ist eine Grundlagenwissenschaft und was wir am Berg machen, das ist angewandtes Leben! Mit Grundlagenwissenschaften kann man das Leben nicht erklären.
Aber es war trotzdem eine Schule fürs Leben: Wenn man konzentriert an etwas arbeitet, dann kann man seine Ziele erreichen. Und das muss man machen, damit das Ganze funktioniert. Ich habe festgestellt, dass die Leidenschaft für das Tun die grundlegende Triebfeder ist. Ich hätte auch eine Begeisterung für die Physik gehabt, aber beim Klettern habe ich gemerkt: Das Talent ist da. Ich kann mein Leben so gestalten und die Leidenschaft ist noch viel größer als für die Physik.
Aber Sie haben doch erst die Bergführer Ausbildung gemacht und dann Physik studiert.
Ich habe die Bergführerausbildung gemacht, weil ich als Student Geld verdienen musste, um den Lebensunterhalt zu finanzieren. Ich habe aber gemerkt, dass es mit Vorträgen viel, viel besser geht. Dann habe ich mich in der Studentenzeit über Vorträge finanziert. Das war die Grundlage der Entscheidung die Ausbildung und die Doktorarbeit hin zu schmeißen und in die Welt der Berge zu gehen.
Verdient man als Kletterer oder als Physiker mehr?
Ein erfolgreicher Vortragsreferent verdient mehr als ein Physiker. Mit dem Bergsteigen allein verdient man kein Geld. Die Expeditionen in den Himalaya oder in die Antarktis kosten richtig viel.
Warum hat es Sie nie auf die größten Berge gezogen, etwa auf den Mt. Everest?
Ich war auf Sieben- und Achttausendern! Ich mag den Everest nicht, weil da zu viel los ist. Der ist aufgrund seiner Stellung als höchster Berg der Erde zivilisiert worden. Da kann fast jeder Mensch hoch. Es braucht nur genügend Unterstützung von fähigen Menschen, das sind in diesem Fall die Sherpas. Die verdienen damit ihr Geld und sind sehr erfolgreich darin, Leute auf den Berg zu bringen. Nur: Ich gehöre nicht dazu!
Und der Nanga Parbat oder der K2?
Das sind sicher die zwei Achttausender die mich am meisten interessieren. Ich war ja schon auf 8200 Meter, auf dem Cho Oyu. Das ist ein wunderbares Erlebnis gewesen. Das wird nicht mein letzter Achttausender gewesen sein.
Der moderne Alpinismus drückt sich nicht mehr durch das Sammeln von Achttausender aus. Da war sicher der Höhepunkt als Reinhold Messner 1986 alle Achttausender bestiegen hatte. Die Achttausender sind die höchsten Berge der Welt, die werden immer im Fokus des Interesses sein. Aber über diese erklärt sich der moderne Alpinismus nicht mehr.
Durch was erklärt sich der moderne Alpinismus?
Dass man das hohe Kletterkönnen aus dem Sportklettern auf große Wände und Berge überträgt. Das gilt für das Eisklettern und Felsklettern. Diese Herangehensweisen definieren das moderne Bergsteigen. Es gibt jetzt Free-Solo-Klettern, Speed-Klettern, das gab es früher alles nicht.
Bezeichnen Sie sich als einen der Wegbereiter des modernen Alpinismus?
Ich bin einer von denen, die da früh dabei waren. Aber Wegbereiter gibt es ja so viele. Bei den Achttausender hat sich das ja über Generationen hingezogen.
Welche Rolle spielt die Geschwindigkeit im modernen Alpinismus?
Das hat definitiv zugenommen. Wenn man am Limit unterwegs ist, dann kann man noch mehr am Limit unterwegs sein, indem man Sachen schneller macht. Das ist eine ganz logische Folge, wie in anderen Sportarten auch. Wenn ich es schneller schaffe, ist das wunderbar!
Das birgt auch ein großes Risiko. Wie können Sie ihren Beruf als Kletterer mit ihrer Familie vereinbaren?
Ein Risiko ist beim Bergsteigen per se vorhanden. Aber man hat es im Leben generell mit Risiken zu tun. Wenn ich ein Unternehmen gründe, dann ist nicht mein körperliches Leben bedroht, aber ich kann auf finanziell abstürzen und dann hängt meine Familie mit drin. Das kann dann viel Lebensenergie kosten und viele werden damit nicht fertig. Jemand der nicht bereit ist Risiken einzugehen wird nichts erreichen. Man muss nur kompetent in der Einschätzung des Risikos sein. Wenn man das entsprechende Können und die entsprechende Aufmerksamkeit aufbringt, dann ist man auf der sicheren Seite. Das gefährliche sind Hasardeure die das Risiko erkennen aber ignorieren. Oder jemand der völlig unbedarft in eine riskante Situation hinein geht.
Der Hasardeur fährt im Winter, wenn es viel Neuschnee hat in einen Lawinengefährdeten Hang und ignoriert das Risiko und denkt: „Wenn es mich erwischt, dann ist es halt so“. Der Unbedarfte fährt in den Hang und denkt: „Woah! Ist das geiler Pulverschnee“!
Ein guter Bergsteiger will natürlich genauso in den Hang rein fahren, aber er reflektiert die Situation vorher und wenn er kompetent ist, so wird er die richtige Entscheidung treffen.
Ich mache Dinge nur, wenn ich das Gefühl habe, dass ich mein Leben nicht in Gefahr bringe.
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Er schweigt einige Zeit und schaut auf die Präsentation zu seinem Vortrag, den er gleich halten wird.
Im Vortrag spricht er von seinen größten Erfolgen: Cho Oyu, Cerro Torre, Fitz Roy, natürlich auch von den Rekorden mit seinem Bruder Thomas am El Captain in Yosemite. Und dann ihre Expedition zum Mount Asgard, in Kanada, nördlich des Polarkreises. Mehrere Wochen sind sie gereist um auf diesen Berg klettern zu können. Ein Wort hört man ununterbrochen: Extrem.
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FOTOSTRECKE Bilder einer intensiven Leidenschaft.
Sie führen ein intensives, aber auch entbehrungsreiches Leben. Wenn man ihre Bilder betrachtet ist es oft nass, kalt, windig, sie sind viel unterwegs. Was reizt Sie daran?
Ein entbehrungsreiches Leben, das stimmt. Aber man macht sein Leben reicher damit, weil erst durch die Entbehrung erkennbar ist, was man für einen Überfluss hat.
Viele wissen beispielsweise nicht mehr, was für ein Genuss es sein kann wirklich zu essen. Wenn wir wochenlang auf Expedition sind, dann hat das mit Entbehrung zu tun, und wir freuen uns dann richtig frisches Obst und Gemüse zu haben. Und so gesehen kann ich natürlich nur sagen: Es macht das Leben reicher, auch das Erlebnis.
Es kommt im Leben nicht nur darauf an wie viele Jahre man gelebt hat, sondern auch was man in diesen gelebten Jahren gemacht hat!
Wie sieht so eine typische Woche von ihnen aus, wenn sie sich zum Beispiel auf eine Expedition vorbereiten?
Einerseits müssen wir Ausdauertraining machen, sowas wie Laufen, im Winter Skating, Skitourengehen, im Sommer Mountainbiking, und natürlich möglichst viel klettern.
Eine Klassiker-Frage: Was kommt noch? Was steht jetzt noch an?
Ich gehe jetzt auf die 50 zu, keine Ahnung was noch kommt. Aber ich habe motivierende Ziele. Und ich mir auch sicher: Das sind Dinge die bisher im Alpinismus nicht bewegt worden sind. Aber wie man schon erahnen kann, das können keine Dinge sein, für die viel Kraft braucht, dafür bin ich einfach zu alt. Da ist eher mentale Stärke und Erfahrung entscheidend. Aber ich habe schon ein Projekt im Kopf. Ob das so wahrgenommen wird wie die Dinge in der Vergangenheit sei dahin gestellt. Eins ist sicher: Wenn ich meinen Vater anschaue, der ist 75 Jahre alt, der hat immer noch einen „Hexenspaß“ beim Bergsteigen, und ich denke bei mir wird es genauso sein.
Haben Sie den Studenten von heute noch etwas mitzugeben?
Ja, die sollen das machen wo Sie das Gefühl haben das begeistert sie wirklich. Man kann mit einer Disziplin für gewisse Zeit erfolgreich sein, aber auf Dauer schafft man es eigentlich nur, wenn man wirklich eine Begeisterung für sein Tun hat. Sonst macht das echt keinen Sinn.
Man muss schon spüren für was man sich begeistert. Das kannst du auf alle Bereiche des Lebens ausdehnen. Wenn du das nicht checkst, was dich begeistert, dann hast du ein Problem!
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Anschließend hält Alexander Huber einen begeisternden Vortrag, er sagt Sätze wie:
„Nicht der Berg ist es, den man bezwingt, sondern das eigene Ich“, die auch auf
unseren Alltag übertragen werden können. Er spricht von seinem intensiven Leben
und man merkt: Er hat alles richtig gemacht!
Im November kommt mit Reinhold Messner die nächste Kletterlegende nach Heidelberg, wieder organisiert von Immanuel Schulz im Rahmen der Wunderwelten-Vortragsreihe.
Das Interview führten Dominik Waibel und David Kirchgeßner