Im 17. Jahrhundert entbrennt um die Kurpfalz ein mörderischer Konflikt: Der Pfälzische Erbfolgekrieg. In seinem Verlauf wird Heidelberg eingenommen – und vollständig zerstört.
Als sich die Feuer legen und der Rauch abzieht, gibt er den Blick frei auf eine Trümmerwüste. Wo sich einst das stolze Heidelberg erstreckte, erheben sich nun Berge von Schutt und verkohlten Balken, dazwischen liegen verstümmelte Leichen. Auch vom Schloss ist fast nichts mehr übrig. Von einem Tag auf den anderen wurden die Stadt, ihre altehrwürdigen Gebäude und ein großer Teil ihrer Bewohner ausradiert. Es ist das Frühjahr 1693, und das fünfhundertjährige Heidelberg existiert nicht mehr.
Der Weg in den Untergang der Stadt beginnt zwölf Jahre zuvor mit einer Hochzeit – und einer folgenschweren Fehleinschätzung. Um seine politische Position zu stärken, sucht der Kurfürst Karl Ludwig einen mächtigen Verbündeten und verfällt dabei auf den französischen Hof. Es gelingt ihm, seine Tochter Elisabeth Charlotte mit Herzog Philip von Orleans zu verheiraten, einem Bruder Ludwigs XIV., des „Sonnenkönigs“. Elisabeth – besser bekannt als Liselotte von der Pfalz – zieht ins kulturelle Herz des damaligen Europa, nach Versailles. Doch das Hofleben ist ihr zu selbstverliebt, und so schreibt sie, von Heimweh geplagt, fast pausenlos Briefe nach Heidelberg, manchmal mehrere am Tag. Und auch ihre Ehe ist nicht sonderlich glücklich.
Zur politischen Tragödie wird die Verbindung erst, als sowohl ihr Vater als auch ihr Bruder versterben – und damit jene Seitenlinie des Hauses Wittelsbach erlischt, von der die Kurpfalz bislang regiert wurde. Ludwig XIV. nutzt nun die Chance, um mit Verweis auf die Ehe seines Bruders Gebietsansprüche auf Teile der Pfalz zu erheben. Da allerdings bereits ein Verwandter des Verstorbenen den Thron geerbt hat, der gar nicht daran denkt, Gebiete abzutreten, rückt Ludwig im September 1688 mit seiner Armee in die Pfalz vor.
Der Krieg entfesselt bald eine ungeheure Brutalität. Um dem Gegner kein Aufmarschgebiet zu lassen, greift Ludwig zu einer Strategie der verbrannten Erde. „Brûlez le Palatinat!“, „Brennen Sie die Pfalz nieder!“, befiehlt er seinen Generälen – und das tun sie. Städte wie Mannheim, Speyer und Worms sowie zahllose Dörfer werden dem Erdboden gleichgemacht. Heidelberg wird zunächst nur leicht zerstört. Doch wenig später wird die Stadt erneut von den Franzosen eingenommen. Diesmal kommt es zu Massakern und Bränden, die bald auf die ganze Stadt übergreifen.
Obwohl die völlige Zerstörung der Stadt ursprünglich nicht beabsichtigt war, lässt Ludwig mit einer Medaille „Heidelberga deleta“, das „zerstörte Heidelberg“ feiern. Seine politischen Ziele aber kann er letztlich nicht durchsetzen.
In Heidelberg ist das Maß an Zerstörung so groß, dass man darüber nachdenkt, eine völlig neue Stadt zu errichten – eine barocke Musterstadt im Stil der Zeit, mit schnurgeraden Straßen und einem neuen Schloss direkt am Neckar. Dann aber baut man doch die mittelalterliche Altstadt wieder auf. Auch das Schloss wird schließlich von dem kunstsinnigen französischen Grafen Charles de Graimberg teilweise wiederhergestellt. Langsam ersteht die Stadt neu.
Noch heute aber erinnert drei Mal im Jahr die Schlossbeleuchtung mit dem in flammendes Rot getauchten Schloss an eines der tragischsten Ereignisse in der Geschichte der Stadt, an den Untergang des alten Heidelberg.
von Michael Abschlag