Ebay, Facebook und Co.: Das neue soziale Netzwerk aus Heidelberg heißt Excelintel und will alles unter einen Hut bringen.
„Das Internet wurde hier in Heidelberg etwas besser“, steht auf dem Werbeflyer des neuen sozialen Netzwerkes „Excel-intel“, das von Heidelberger Studenten erfunden und entwickelt wurde. Noch einprägsamer als der Slogan ist das Bild auf der Vorderseite des Flyers. Gleichberechtigt steht die Verbindung „Harvard-Facebook“ neben „Excelintel-Heidelberg“. Die Implikation ist klar: Es geht um ein neues, besseres Facebook.
Schon alleine durch diese Assoziation skeptisch geworden, schaue ich mir einen der Werbeclips von Excelintel an. Der Film beginnt mit im Regen stehenden Unternehmern: Zu hohe Kosten für Websites und der Verkauf der firmeneigenen Daten sind der Grund. Es setzt heroische Musik ein, die an alte Western-Melodien von Ennio Morricone erinnert. Dazu marschieren Männer in schwarzen Anzügen mit Heugabeln in den Händen einen Berg hinauf. Vielversprechende Sätze wie „Wir haben den Kampf aufgenommen, um Ihnen die Kontrolle zurückzugeben und eine freie Website entwickelt, auf der E-Commerce und soziales Netzwerken nicht länger getrennt sind. Und all das, ohne Ihre Daten zu verkaufen“, begleiten den Werbeclip.
Das klingt alles ein wenig zu gut, um wahr zu sein. Ein Facebook ohne dessen Nachteile? Ich untersuche die Website. Alles was man findet ohne sich anzumelden, ist ein seitenbreites Video, das die Möglichkeiten von Excel-intel erklärt. Im öffentlich zugänglichen Shop gibt es verschiedene Dienstleistungen, Produkten, Onlinekurse bis hin zu Versicherungen. Bisher bestätigt sich die Hoffnung auf ein verbessertes Facebook nicht. Vielmehr wirkt die Seite wie eine weniger ansprechender designte Ebay-Variante. Das kann ja wohl nicht sein, was als innovatives, verbessertes Heidelberger Facebook angepriesen wird.
Noch neugierig, aber skeptischer, treffe ich mich mit Paul Powers, Mitgründer von Excelintel. Der US-Amerikaner kommt ursprünglich aus Cincinnati, Ohio, und hat in Heidelberg Jura studiert. Derzeit promoviert er im Bereich IT-Recht. Auf meine Frage, was das Konzept von Excelintel sei, folgt sofort die sehr anschauliche Antwort: „Excelintel ist ein soziales Netzwerk, das mehr oder weniger so funktioniert wie ein Schweizer Taschenmesser.“ Man könne Excelintel nicht nur als soziales Netzwerk, sondern für eine Vielzahl von Funktionen nutzen: Um Dinge zu verkaufen wie bei Etsy oder Ebay, nur ohne Gebühren. Man könnte damit Geld überweisen wie bei Paypal, gemeinsam Dokumente bearbeiten wie bei Googledocs, chatten, Neuigkeiten auf die eigene Pinnwand posten oder Nachrichten verschicken wie bei Facebook. Es kling, als hätte man versucht, alle im Internet zugänglichen Aktionsmöglichkeiten in eine Website zu packen – wie bei einem Schweizer Taschenmesser. „Wir haben nicht die Schere erfunden, wir haben nicht das Messer erfunden. Und wenn man nur einmal im Jahr einen Korkenzieher braucht, ist er trotzdem da“, erklärt Paul.
Zusätzlich gibt es Links zu prominenten Netzwerken wie LinkedIn, Facebook und Twitter. Wird ein PDF auf Excelintel gemeinschaftlich erstellt, kann es mit einem Klick auf der Facebook-Pinnwand geteilt werden. Vorher war es nicht möglich, PDF-, Word-Dateien oder Excel-Dateien direkt zu posten. Also doch ein verbessertes Facebook? „Ich würde nicht behaupten, dass Excelintel eine Konkurrenz zu Facebook wäre. Das heißt, Excelintel ist nichts, was man statt Facebook benutzen sollte, sondern es macht die Benutzung von Facebook leichter“, betont Paul. Das klingt schon überzeugender.
Der Unterschied zu Facebook ist, dass wir Daten nicht verkaufen und nur speichern, soweit es sein muss.
Die Idee zu Excelintel sei aus Frust über die begrenzten Möglichkeiten eines sozialen Netzwerks in Bezug auf E-Learning und E-Commerce entstanden, woraufhin sich fünf Heidelberger Studenten daran machten, eine solche Website zu bauen. Ein exklusiver Vertrag mit Lecturo, einer deutschen E-Learning-Firma, erleichterte die Entwicklung. Die Expansion vor allem in die USA, das Einstellen von spezialisiertem Personal und einer neuen Chefin, die vorher bei Google gearbeitet hat, hat die Entwicklung beschleunigt. Das Finanzierungskonzept der Firma wurde mehrfach als unzureichend kritisiert: Es werde nicht für das Anbieten von Waren und Dienstleistungen Geld verlangt, wie es bei E-Commerce-Seiten wie Ebay üblich sei, sondern bei jeder Transaktion eine Gebühr von zwei Prozent genommen. Hinzu kommen Werbe-Einnahmen. Aber, und das wird mehrfach betont, „der Unterschied zu Facebook ist, dass wir die Daten nicht verkaufen und nur speichern, soweit es sein muss“.
Knapp eineinhalb Jahre nach der ersten Idee ging die Seite Ende Mai online. Bereits nach zwei Tagen hätten sich 4000 Nutzer angemeldet und 30.000 Meldungen verfasst. Einen weiteren Wachstumssprung erwarten die Macher durch die Teilnahme einiger großer US-Universitäten. Sie wollen Excelintel als Organisationsplattform für das Studium verwenden, vergleichbar mit dem Heidelberger LSF. Die Universitäten von Cincinnati und Hawaii seien dabei – einige der renommiertesten Universitäten sollen angeblich auch mit an Bord sein. Spätestens zur Einführung von Excelintel müssten sich alle Studenten der jeweiligen Universitäten auf der Website anmelden.
Als ich ihn nach dem doch sehr übertriebenen Western-Werbeclip frage, lacht Paul. Es solle das Gefühl einer Revolution aufkommen, einer Rebellion gegen das böse System. Man komme von Kosten, Gebühren und Intransparenz weg. Der Film richte sich auch hauptsächlich an ein amerikanisches Publikum. Excelintel stehe für die englischen Adjektive „excellent“ und „intelligent“, was die Eigenschaften der Website symbolisiere.
Wieder zu Hause angekommen klicke ich erneut auf die Website und logge mich mit meinem Facebook-Account ein. Das erlaubt mir auch den Community-Bereich von Excelintel zu nutzen. Wie versprochen gibt es hier die Möglichkeit, Dokumente zu erstellen, zu chatten, zu shoppen und zu posten. Bisher sieht die Seite provisorisch aus und die meisten Post auf der Pinnwand stammen von einer amerikanischen Versicherungsfirma. Allerdings könnte es sein, dass man in Zukunft mehr von Excelintel hören wird, wenn auch nicht in einem Atemzug mit Facebook.
von Monika Witzenberger