Die geringe Wahlbeteiligung wirft einen Schatten auf die Präsidentschaftswahl in Polen. Nicht alle hoffen auf den politischen Wandel.
„Polen setzt auf politischen Wandel“, kommentierte der WDR die Präsidentschaftswahlen im Mai. Nachdem Amtsinhaber Bronislaw Komorowski im ersten Wahldurchgang entgegen der Prognosen mit einem Prozentpunkt dem Herausforderer Duda unterlegen war, gewann Andrzej Duda die Stichwahl am 24. Mai mit 53 Prozent der Stimmen.
Viele interpretieren Dudas Sieg als einen Wunsch nach Veränderung. Andererseits machte im ersten Durchgang weniger als die Hälfte der Polen von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Bei der Stichwahl lag die Wahlbeteiligung wie bei den Präsidentschaftswahlen 2010 um die 55 Prozent. Zum Vergleich: Bei der Bundestagswahl 2013 wählten in Deutschland 72 Prozent. Nicht alle glauben an den politischen Wandel. Viele Studenten sehen die politischen Verhältnisse in ihrem Land kritisch.
Monika aus Lublin kann die geringe Wahlbeteiligung verstehen: „Die Kandidaten waren beide sehr konservativ.“ So oder so glaubt sie nicht daran, dass sich durch das Ergebnis der Wahlen etwas ändern wird. „Wir Polen trauen dem System nicht“, ergänzt der 20-jährige Warschauer Psychologiestudent Wojciech. Auch nach über 25 Jahren fehle noch das Vertrauen in die Demokratie. Ein Schlüsselerlebnis habe er in Skandinavien gehabt: „Dort hat mein Gastvater mehr Steuern bezahlt, als er musste – weil er darauf vertraute, dass diese sinnvoll eingesetzt werden. Das war für mich unvorstellbar.“
Wojciech wünscht sich liberalere Wirtschaftspolitik, niedriger Steuern und eine effizientere Verwaltung. Auch sei Korruption ein großes Problem in Polen. Schließlich haben sowohl die Bürgerplattform, Partei des bisherigen Amtsinhabers Komorowski, als auch die Partei „Recht und Gerechtigkeit“, die Duda vertritt, einige Korruptionsskandale vorzuweisen.
So erklärt sich Wojciech auch eine weitere Überraschung dieser Präsidentschaftswahl: Pawel Kukiz, ein rechtspolpulistischer parteiloser Rockmusiker, gewann im ersten Durchgang gut 20 Prozent der Stimmen. „Ich finde es gut, dass er sich für mehr Volksbeteiligung und eine Revision des bestehenden Wahlrechts einsetzt“, meint Monika, während sich Wojciech klar von dem Anti-System-Kandidanten Kukiz distanziert: „Meiner Meinung nach ist ein Kandidat unwählbar, der vorher mit einer Rockband über Sex am Strand gesungen hat.
In Deutschland versuchen die Medien nun, die politischen Konsequenzen von Dudas Sieg einzuordnen. Denn auch wenn der polnische Staatspräsident überwiegend repräsentative Funktionen ausübt, sind die Wahlergebnisse ein Signal für die Parlamentswahlen im Herbst. 25 Jahre nach den ersten freien Wahlen drängt sich zudem die Frage auf, was die aktuellen Entwicklungen über die Verwirklichung des demokratischen Gedankens in der polnischen Gesellschaft aussagen.
von Janina Schuhmacher