Die Verflechtung von Wirtschaft und Wissenschaft nimmt zu. Das Onlineportal „Hochschulwatch“ fordert mehr Transparenz an den Universitäten.
Versuchen Unternehmen, Einfluss auf die Wissenschaft zu nehmen? Ist die Freiheit von Forschung und Lehre in Gefahr? Aus diesen Fragen entstand 2013 die Initiative Hochschulwatch. Hierbei handelt es sich um ein gemeinsames Projekt der Organisationen taz, Transparency International und freiem zusammenschluss von student*innenschaften (fzs).
Auf hochschulwatch.de sind fast alle deutschen Hochschulen aufgelistet, dazu sind jeweils die Kooperationen mit Unternehmen einsehbar. Im Fokus stehen hier die sogenannten Drittmittel, die die Hochschulen erhalten. Erst- und Zweitmittel stammen aus dem Etat der Hochschule und dem des zuständigen Ministeriums, Drittmittel aus der freien Wirtschaft. 1990 waren es umgerechnet 1,5 Milliarden Euro, 2012 schon 6,7 Milliarden Euro. Sie kommen der Forschung zugute. „Das Problematische an Drittmitteln ist, dass die Freiheit der Forschung und Lehre angegriffen wird“, erklärt Marie Dücker vom fzs. Geldgeber würden nur Projekte oder Stiftungsprofessuren finanzieren, die den eigenen Profit mehren. Dücker nennt als Beispiel medizinische Forschungen, die sich hauptsächlich nach „Wohlstandskrankheiten“ wie Diabetes richten. Krankheiten im globalen Süden würden vernachlässigt, da „die gesundheitlich Betroffenen als potentielle Kunden nicht kaufkräftig sind.“
Arne Semsrott von Transparency International ist der Meinung, dass Drittmittel „nicht immer schlecht“ sind. „Häufig ist jedoch nicht transparent, wie Drittmittelvereinbarungen geschlossen werden und ob es dabei zu Einflussnahmen kommt.“ Die Hochschulen sind nicht verpflichtet, ihre Verträge mit Unternehmen zu veröffentlichen oder Sponsoringberichte vorzulegen. Hochschulwatch fordert deshalb die Offenlegung von Drittmittelverträgen. Auf der Website sind neben Drittmitteln und Stiftungsprofessuren die externen Mitglieder des jeweiligen Hochschulrates aufgelistet, welcher laut Hochschulwatch eine weitere Einflussmöglichkeit darstellt. Der Hochschulrat ist das Gremium der Uni, das unter anderem die hauptamtlichen Mitglieder des Rektorats mitbestimmt. Die externen Mitglieder gehören nicht zur Universität, sondern stammen meist aus Unternehmen. An der Uni Heidelberg beispielsweise ist eines der externen Mitglieder Margret Suckale, die im Vorstand der BASF sitzt. Der Anteil der Drittmittel laut Hochschulwatch liegt in Heidelberg bei 28 Prozent. Hierbei kann das Uniklinikum, zusammen mit den MINT-Fächern, die meisten Forschungskooperationen vorweisen, was auch den Großteil der Stiftungsprofessuren ausmacht. Dies ist auf die „große Nähe der Themen zur Wirtschaft“ zurückzuführen, so Semsrott. Ohne das Klinikum liegt der Drittmittelanteil nur bei vier Prozent. Die Uni Heidelberg ist im Gegensatz zu anderen Unis nicht direkt mit Zweifeln an ihrer Unabhängigkeit konfrontiert. Im Jahr 2010 geriet die Universität Köln in die Kritik, als zweifelhafte Verbindungen zu den Energiekonzernen e.on und RWE offengelegt wurden. Die Universität wurde von der Bundesregierung mit einem Gutachten zur Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken beauftragt, was am Ende zu einer zwölfjährigen Laufzeitverlängerung führte.
Die deutschen Hochschulen sind jedoch aufgrund der schwierigen Finanzlage auf die Drittmittel angewiesen. Als Alternative sieht man bei Hochschulwatch nur die völlige Ausfinanzierung durch öffentliche Gelder von Staat und Ländern. „Nur so können die Aufgaben, die die Forschung an Hochschulen annehmen sollte, auch wirklich von ihr übernommen werden.“
Von Johanna Lübke